Presseschau zur Wahl in Italien:"Ein Demagoge durch und durch"

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Der Tag danach: Silvio Berlusconi hat sein Comeback geschafft und die Parlamentswahlen in Italien gewonnen. Wie die Presse reagiert.

Irene Helmes

Zum dritten Mal wird der Medienmogul und umstrittene Politiker Silvio Berlusconi italienischer Regierungschef. Seit vielen Jahren erhitzt der 71-Jährige die Gemüter - dementsprechend fallen auch die Kommentare in der italienischen und internationalen Presse am Tag nach der Wahl sehr gemischt aus.

"Demagoge durch und durch" - vor allem die ausländische Presse kommentiert den Wahlsieg von Silvio Berlusconi äußerst kritisch. (Foto: Foto: AP)

Der konservative italienische Corriere della Sera wertet den Wahlausgang insgesamt als "große Chance". Bemerkenswert sei dabei vor allem, "dass die Rückkehr nach einem Wahlkampf erfolgt, in dem er weder Wunder versprochen, noch schmerzlose Lösungen für die Wirtschaft angedeutet hat. Stattdessen hat er sich - zwischen den üblichen Sprüchen und Späßchen - als Unternehmer präsentiert, der gerufen wird, um eine schwere Krisenphase zu bewältigen."

Das "Wunder" liege darin, dass sich Berlusconi "auch im neuen Gewand des Premiers ohne Zauberstab" Akzeptanz verschafft habe. Die Herausforderung sei nun, "die anvertraute Mehrheit durch ernsthafte und durchschlagende Maßnahmen zu rechtfertigen. Mit einer weiteren Gewissheit: Nicht nur die Wähler, auch die internationale Gemeinschaft, beobachten Italien, das sich wieder Berlusconi zugewandt hat, mit einer Mischung aus Skepsis, Alarmstimmung und Erwartung. Und die ersten beiden Stimmungen haben bisher überwogen."

Die liberale italienische Tageszeitung La Repubblica sieht Italien in einem Kreislauf der "Wiedergeburt Berlusconis" und konstatiert einen "massenhaften und eindeutigen Rechtsruck" im Land. Berlusconis "mehr als solide Mehrheit" solle ihm jedoch "die Möglichkeit geben, eine ganze Legislaturperiode lang zu regieren" - in Italien alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

La Repubblica vermeldet Hoffnungsschimmer im zerstrittenen Italien und bleibt doch skeptisch: "Die ersten Reaktionen Berlusconis scheinen versöhnlich. Er spricht von gemeinsamen Reformen (...). Er sagt, er werde ein anderer Ministerpräsident sein als nach seiner Wahl 2001. Er sagt, er möchte als Staatsmann in die Geschichte eingehen. (...) Wir zählen auf seine Ehrlichkeit. Die wäre auch für ihn besser, falls er wirklich irgendwann Staatspräsident werden will. Vor allem aber wäre sie für Italien besser..."

"Man denke nur, dass sie ihn als alt und müde beschrieben haben"

Wesentlich klarere Töne schlägt die kommunistische Tageszeitung Il Manifesto an. "Kein Amerika, kein italienisches Duell à la McCain-Obama. Eher ähneln wir schon dem Thailand des Milliardärs Thaksin, mit dem Herrn des Fernsehens, der Arm in Arm mit dem xenophoben Norditaliener an die Regierung zurückkehrt. Um - im Fahrwasser der sozialen Ängste - seine Arbeit fortzuführen, die dieses Land bereits zutiefst verändert (...) hat. Die Entscheidung der Wähler ist verheerend."

Die Tageszeitung Il Giornale, die Berlusconi 1994 an seinen Bruder Paolo verkaufte, lästert derweil über den unterlegenen Kandidaten der Linken: "Veltroni kann ganze Busse mit Prominenten beladen und Unterschriften von 490 Kulturschaffenden sammeln - Tote eingeschlossen - aber Italien schlägt einen anderen Weg ein." Berlusconi habe es "wieder einmal geschafft" - "Man denke nur daran, dass sie ihn als alt und müde beschrieben haben." Nun wittert der Kommentator Morgenluft: "Heute Morgen sind wir uns sicher, dass auch Ihr eine andere Luft atmet, die weniger erstickend ist. Es ist ein Hauch von Hoffnung, inmitten von lauter Schwierigkeiten und Enttäuschungen."

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"Demagoge durch und durch"

Die ausländische Presse kommentiert den Wahlausgang großteils in einer Mischung aus Häme und Entsetzen. "Der neue Berlusconi ähnelt einem schlechten Lifting", so die linksgerichtete Pariser Zeitung Libération. "Seine Äußerungen sind etwas glatter, doch seine Methoden sind die gleichen. Berlusconi ist Demagoge durch und durch, gerade soviel Populist wie nötig - und er hat die alten Rezepte wieder hervorgeholt, vor allem das der Steuersenkungen. Sein Sieg ist vor allem das Symptom eines Landes, das nicht in guter Verfassung ist."

Die konservative französische Figaro schreibt dagegen: "Die Rückkehr des 71 Jahre alten, aber dank Schönheitsoperationen verjüngten Berlusconi ist an sich ein Zeichen für die Lähmung des politischen Systems in Italien. Die Deutlichkeit, mit der er gesiegt hat, ist dennoch eine gute Nachricht. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem Linkszentristen Romano Prodi, hat Berlusconi eine Mehrheit sowohl im Abgeordentenhaus als auch im Senat. Das wird es ihm ermöglichen, ohne Hindernisse zu regieren und über seine Wahlversprechen hinaus endlich die notwendigen Reformen anzupacken."

"Großmeister des hemmungslosen Redeschwalls"

Die spanische Zeitung El Mundo kommentiert: "In der Politik Italiens überrascht eigentlich gar nichts mehr. Das Land ist seit einem halben Jahrhundert praktisch unregierbar. Die Bürger erwarten vom Staat nur das unbedingt Notwendige und von den Politikern überhaupt nichts. Dennoch muss man die grenzenlose Fähigkeit von Silvio Berlusconi zu einem Comeback anerkennen. Nach seinem Wahlsieg wird er zum dritten Mal eine Regierung anführen. Aufgrund der klaren Mehrheit Berlusconis stehen die Zeichen günstig, dass in Italien ein wenig mehr Stabilität einkehren wird. Allerdings sind die Herausforderungen so immens, dass es den Italienern schwer fallen wird, sich gelassen zurückzulehnen."

Die links-liberale Budapester Tageszeitung Nepszabadsag schreibt über Berlusconi: "Vor den Wahlen hat er keine Wunder versprochen. Bis heute erscheint es ein Rätsel, wie sich der Großmeister des hemmungslosen Redeschwalls dermaßen zurückzuhalten vermochte. Vielleicht, weil er doch schon über die 70 hinaus ist: Er wurde nicht nur älter, sondern lernte auch dazu. Nach all dem ist es ein Wunder, dass er die Wahl gewann. Der Grund dafür liegt darin, dass er noch immer die Verkörperung des 'italienischen Traums' darstellt. Jenes ewigen, unerfüllbaren Traums, dass er seinem Land zu ebensolchen Höhenflügen verhelfen würde wie seinem eigenen Geschick. Millionen glauben daran, unverändert."

Die Hoffnung auf die Zeit nach Berlusconi

Die konservative dänische Tageszeitung Berlingske Tidende hält den Wahlausgang "sowohl für das Land selbst als auch für die EU bedauerlich, denn Berlusconi mit seinen dubiosen Doppelfunktionen ist eine vorsichtig ausgedrückt besorgniserregende Bekanntschaft."

Der Tages-Anzeiger aus Zürich schließlich blickt besonders weit in die Zukunft. "Man kann sich lustig machen über Italien und sich wundern, dass die Mehrheit seiner Bürger ausgerechnet den 71-jährigen Polit-Zampano Silvio Berlusconi wieder zum Premierminister gewählt hat. Den Mann, der in seiner letzten Amtszeit von 2001 bis 2006 hinlänglich bewiesen hat, dass er nicht in der Lage ist, das Land aus der tiefen Krise zu führen, in der es sich seit Jahren befindet. (...) Das Land wird nun noch mehr Polemik und Politik der Sonderinteressen erleben. 'Si può fare', hatte sein Kontrahent Walter Veltroni versprochen: Eine andere Politik, eine sachliche, lösungsorientierte sei 'machbar'. Italien bleibt die Hoffnung, dass dies nach Berlusconi möglich sein wird."

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/bavo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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