Pressekonferenz:Willkommen bei der Trump-Show

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In den ersten vier Wochen seiner Amtszeit wirft der Herr im Weißen Haus reihenweise Gewissheiten und Gepflogenheiten über den Haufen.

Von Sacha Batthyany und Reymer Klüver

Selbst gemessen an dem, was man von Donald Trump an bizarren Äußerungen und Auftritten schon gewohnt sein mag - diese 77 Minuten waren doch einmalig. "Das war unglaublich", sagt Wolf Blitzer, als alles vorbei ist. Der langjährige Moderator des Nachrichtensenders CNN, sonst nie um einen Kommentar verlegen, ist erst einmal einen Moment still, ehe aus ihm die Fassungslosigkeit herausplatzt, die offenkundig viele Menschen nach diesem Auftritt ihres Präsidenten erfasst hat: "Wow!" Sein Kollege Jake Tapper wirkt ebenfalls entgeistert. "Das ist kein Präsident, der sich für die Bedürfnisse der Menschen in diesem Land interessiert. Für hungrige Kinder in den Appalachen. Für Soldaten in Ausbildung oder Stahlarbeiter auf Jobsuche." Nein, das ist ein Präsident, der sich nur für sich selbst zu interessieren scheint.

Tatsächlich dürfte die Pressekonferenz, zu der das Weiße Haus am Donnerstagabend kurzfristig eingeladen hat, langfristige Folgen haben, was die Einschätzung des Präsidenten angeht. Eigentlich wollte Trump nur den neuen Kandidaten für das Amt des Arbeitsministers bekannt geben, Alexander Acosta - der bisherige Anwärter, der Fast-Food-Unternehmer Andrew Puzder, hatte zurückgezogen, nachdem klar wurde, dass er selbst im republikanisch dominierten Senat keine Mehrheit finden würde. Doch tatsächlich beginnt Trump, provoziert durch Journalistenfragen, eine Bilanz seiner ersten vier Wochen im Amt zu ziehen. Eine Bilanz, die zeigt, wie himmelweit verschieden Trumps Sicht der Dinge von der Darstellung seiner bisherigen Arbeit in den meisten amerikanischen Medien ist. Wenn Trump hinaus auf die Welt schaut, dann sieht er nur sich.

"Ganz nebenbei, ich bin wirklich kein schlechter Mensch": Donald Trump bei seiner Pressekonferenz im Weißen Haus. (Foto: Andrew Harnik/AP)

Es ist das Ende einer turbulenten Woche, die mit dem Rücktritt von Trumps Sicherheitsberater Michael Flynn begann. Einer Woche, in der bekannt wurde, dass die US-Geheimdienste Kontakte von Trumps Wahlkampfteam zu russischen Behörden überprüfen. Und doch behauptet Trump nun, es laufe "alles wie geschmiert", seine Regierung arbeite wie eine "fein getunte Maschine". Sein Vorgänger Barack Obama habe ihm einen wirtschaftlichen "Schlamassel" hinterlassen. Dabei sind die Arbeitslosenzahlen auf einem Tiefststand.

Aber was sind schon Fakten? Immer wieder hat Trump zum Beispiel behauptet, die Kriminalität in den Innenstädten sei nie höher gewesen, was statistisch ebenso wenig stimmt wie seine Aussage am Donnerstag, er habe bei seinem Sieg im November die meisten Wahlmänner seit Ronald Reagan geholt. Sowohl Bill Clinton als auch Obama holten mehr. Gewiss, bei der Anzahl der Elektoren handelt es sich um eine Nichtigkeit. Doch immer häufiger wird nun in den US-Medien die Frage gestellt: Wie handelt und informiert dieser Präsident, wenn es um Gewichtigeres geht? Nordkorea? Krisen im Südchinesischen Meer? Wie anfällig ist Trump für Provokationen, wenn er schon nicht erträgt, dass ihn Schauspielerinnen wie Meryl Streep kritisieren?

Es ist ein so bizarrer Auftritt, dass selbst beim Trump-treuen Fernsehsender Fox News einem Moderator der Kragen platzt: "Es ist verrückt, was wir da jeden Tag zu sehen bekommen", ereifert sich Shepard Smith noch am Donnerstagabend. Und im Washingtoner Insiderportal Politico bringt der angesehene Washingtoner Politanalyst Todd Purdum den 25. Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung ins Spiel. Der regelt die Amtsnachfolge, wenn der US-Kongress feststellen sollte, dass der Präsident gesundheitlich nicht in der Lage ist, die Amtsgeschäfte zu führen.

Es ist die dritte Pressebegegnung in dieser Woche für Donald Trump, und man sah ihm in allen Auftritten an, wie unwohl er sich fühlt. Als wäre er es nicht gewohnt, sich erklären oder gar rechtfertigen zu müssen. Als ihn ein Journalist des jüdisch-orthodoxen Magazins Ami fragt, was der Präsident gegen die steigende Zahl antisemitischer Übergriffe im Land zu tun gedenke, fährt ihm Trump ins Wort. "Ich bin die am wenigsten antisemitische Person", sagt er - als sei die Frage ein persönlicher Angriff gewesen. Als die Reporterin April Ryan wissen will, ob Trump mit dem Congressional Black Caucus zusammenarbeiten werde, einer Vereinigung der afroamerikanischen Kongressabgeordneten, antwortet der US-Präsident: "Sind das Ihre Freunde?" Später behauptet er, er würde täglich versuchen, mit dem schwarzen Abgeordneten Elijah Cummings Kontakt aufzunehmen, obwohl auch das nicht stimmt. Cummings sagt im Fernsehen, er habe vom Präsidenten nie etwas gehört.

Trumps Auftritt ist, den Superlativ darf er wohl für sich beanspruchen, in der Tat einmalig. Ohne Zweifel gab es vor Trump schon Präsidenten, die wie einst Lyndon B. Johnson zu Mitleid mit sich selbst neigten oder wie Ronald Reagan mitunter nicht ganz auf der Höhe ihrer Konzentrationsfähigkeit zu sein schienen. Aber keiner hat so einen Auftritt voller Selbstmitleid und Selbstüberhebung, voller Unkonzentriertheit und Unbescheidenheit gehabt, wie Trump bei der improvisierten Pressekonferenz. Doch irgendwie passt der Auftritt ganz gut zu den ersten vier Wochen Trumps im Weißen Haus. So einen turbulenten Beginn einer Amtszeit dürfte es ebenfalls noch nicht gegeben haben.

Sein Einreiseverbot für Staatsbürger von sieben vornehmlich muslimischen Ländern hat Chaos an den US-Flughäfen und Verwirrung in der ganzen Welt ausgelöst - und die Gerichte auf den Plan gerufen, die das Dekret postwendend kassierten. Seine anschließenden Richterbeschimpfungen via Twitter könnten Amerika sehr schnell an den Rand einer Verfassungskrise bringen. Trump feuerte seine amtierende Justizministerin, legte in einem nicht ganz in seinem Sinne verlaufenden Telefonat mit dem australischen Premier einfach den Hörer auf und lud kurzerhand den mexikanischen Präsidenten, immerhin den Staatschef des Nachbarlandes, aus. Er beschimpfte den angesehenen Senator John McCain, die Kaufhauskette Nordstrom und immer wieder die Medien. Mit einem Satz verabschiedete er die Vereinigten Staaten von der Zwei-Staaten-Lösung im Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern - einem Prinzip der US-Außenpolitik seit Jahrzehnten. Und die Verunsicherung der bisherigen Verbündeten über den künftigen Kurs Amerikas ist in diesen ersten vier Wochen nicht geringer geworden - eher im Gegenteil.

Gelungen ist Trump dagegen bisher recht wenig. Seinen Sicherheitsberater musste er nach nicht einmal vier Wochen im Amt wieder entlassen - ein Rekord in der US-Geschichte. Der Nachfolgekandidat sagte lieber gleich ab, aus familiären Gründen, wie es offiziell heißt. Der designierte Arbeitsminister Puzder musste seine Bewerbung zurückziehen, weil herauskam, dass er eine illegale Einwandererin als Hausbedienstete beschäftigt und seine frühere Ehefrau wohl geschlagen hatte. Immerhin bestätigte der Senat am Freitag einen anderen Kandidaten: Scott Pruitt, der die Umweltbehörde EPA jahrelang mit Klagen bekämpfte, darf diese nun leiten. Seinen Außenminister düpierte Trump unterdessen, indem er ihm die Berufung eines Stellvertreters verweigerte. Der von Tillerson auserkorene Kandidat hatte es gewagt, Trump im Wahlkampf zu kritisieren.

Sonst ist nicht viel geschehen: Für den groß angekündigten Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko ist kein Cent geflossen. Die versprochene Rücknahme von Obamacare, der unter Republikanern verhassten Krankenversicherungsreform seines Vorgängers, kommt nicht von der Stelle. Die in Aussicht gestellte Steuerreform ist vertagt. Selbst seinen Parteifreunden im Kongress scheint das Chaos mittlerweile auf die Nerven zu gehen. Mitch McConnell, der Vormann der Republikaner im Senat und ein großer Taktierer, sagte in dieser Woche dem Wall Street Journal: "Es fiele uns allen leichter, zum Erfolg zu kommen, wenn es weniger tägliche Tweets gäbe." Das war für seine Verhältnisse ein sehr deutlicher Wink in Richtung Weißes Haus. "Es ist der schlechteste Start einer Präsidentschaft in modernen Zeiten", konstatiert der Historiker Robert Dallek, ein Kenner der Geschichte der amerikanischen Präsidenten.

Trump sieht das ganz gewiss nicht so, wie seine Pressekonferenz zeigt. Und es ist auch sehr die Frage, ob diejenigen seiner Anhänger das tun, die ihn gewählt hatten, weil da einer versprach, einmal gründlich auszumisten in dem angeblichen Saustall Washington. Sie erwarten von ihm eigentlich nichts anderes als das, was er seit vier Wochen tut: die alten Gewissheiten und Gepflogenheiten in der Hauptstadt über den Haufen zu werfen, sich um nichts zu scheren, was bisher im politischen Umgang in Washington und im Rest der Welt so üblich war. Trump beschimpft alle, ob Kaufhaus-Bonzen, ausländische Premiers oder eben immer wieder die Medien.

Aber selbst das soll nicht gegen ihn sprechen. "Ganz nebenbei", sagt Trump irgendwann im Laufe der 77 Minuten, "ich bin wirklich kein schlechter Mensch."

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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