Pressekodex:Wahres und Wesentliches

Wichtiges verschweigen? Das hat dieses Regelwerk noch nie verlangt.

Von Karoline Meta Beisel

Die Presse verschweige den Lesern wichtige Informationen, so lautete nach der Kölner Silvesternacht die Kritik. So lautet sie jetzt, nachdem der Presserat entschieden hat, am Diskriminierungsverbot des Pressekodex festzuhalten, mancherorts wieder: Das Gebot, die Herkunft eines Straftäters oder Verdächtigen nur dann zu nennen, wenn es für das Verständnis der Tat wichtig ist, führe dazu, dass Medien ihren Lesern relevante Informationen vorenthalten.

Wer das behauptet, hat den Kodex nicht gelesen. Dort steht nicht, dass man nicht sagen darf, wenn in Köln Nordafrikaner Frauen angreifen, eine polnische Bande Diebesgut über die Grenze schleppt oder ein Deutscher ein Flüchtlingsheim anzündet. Im Gegenteil, die Presse muss die Nationalität der Täter sogar nennen - immer dann, wenn es wichtig ist für den Fall, eben wenn es "relevant" ist. Auch das steht im Pressekodex, ganz zu Beginn in Ziffer 1: "Die Achtung vor der Wahrheit ( . . .) und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse." Wer mit Absicht Wichtiges verschweigt, berichtet nicht wahrhaftig.

Deswegen ist es richtig, dass der Presserat die umstrittene Ziffer 12 nicht verändert hat. Schon jetzt gibt sie den Redaktionen alle Freiheit, zu berichten, was berichtenswert ist, und wegzulassen, was nichts zur Sache tut. Das Einzige, wozu der Kodex die Presse auffordert, ist, das eine vom anderen zu unterscheiden.

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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