Präsidentschaftswahl in Brasilien:Spröde gegen leutselig

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Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff und ihr Herausforderer Aécio Neves (Foto: dpa/AP)

Sie gilt als unnahbar, doch Präsidentin Dilma Rousseff zieht mit 41 Prozent in die Stichwahl in Brasilien ein. Dort trifft sie überraschend auf den Konservativen Aécio Neves - der Unterstützung vom gescheiterten Phänomen Marina Silva bekommt.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

Nun ist Brasilien doch wieder bei dem gewohnten Duell gelandet. Irgendwie links gegen irgendwie rechts. Die Präsidentin Dilma Rousseff hat die erste Runde am Sonntag zwar mit 41,6 Prozent der Stimmen gewonnen. Mehr als 43 Millionen Wähler entschieden sich für sie und ihre Arbeiterpartei PT, die seit 2003 regiert. Zur nötigen Mehrheit allerdings hat es trotz ihrer Aufholjagd nicht gereicht, im zweiten Wahlgang am 26. Oktober muss die resolute Titelverteidigerin überraschend gegen den Konservativen Aécio Neves (33,5 Prozent) antreten.

Erneut begegnen sich die beiden größten Lager des Landes in einer Stichwahl - entschieden ist sie noch nicht. "Unser Kampf geht weiter", sprach die Favoritin Rousseff. "Ein Kampf, der sicher siegreich sein wird, weil es der Kampf des brasilianischen Volkes ist."

Frau Rousseff gegen Herrn Neves, das schien bereits vor Wochen der Zweikampf zu sein. Bis Marina Silva dazwischenkam. Die evangelikale Ökologin galt ein Jahr nach den Protesten gegen das Establishment als Favoritin. Die frühere Umweltministerin hatte sich über Nacht in das Gesicht des Widerstands verwandelt und bei den Umfragen an die Spitze gesetzt, als der sozialistische Kandidat Eduardo Campos im August bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam und sie dessen Bewerbung übernahm.

Gescheitert: Die frühere Umweltministerin Marina Silva. (Foto: Bloomberg)

Doch der Exotin von der Kautschukplantage ging zuletzt die Luft aus. Sie verstrickte sich in Widersprüche, und die PT von Staatschefin Rousseff warf ihre erprobte Wahlkampfmaschinerie an. Die Aufsteigerin scheidet mit 21 Prozent aus.

Rousseff erbte Lulas Erfolge

So geht es in drei Wochen um Machterhalt oder Machtwechsel zwischen Rousseffs PT und Neves' Formation mit dem irreführenden Titel Sozialdemokraten. Von 1995 bis 2002 hatte diese Partido da Social Democracia Brasileira (PSDB) in Person des renommierten Soziologen Fernando Henrique Cardoso den Präsidenten gestellt, die Hyperinflation bekämpft und die stabile Währung Real eingeführt, ehe das neoliberale System in die Krise geriet.

Unter dem Nachfolger und früheren Gewerkschaftsführer Luiz Inácio Lula da Silva erlebte Lateinamerikas Gigant dann einen einzigartigen Boom, Millionen Brasilianer entkamen der Armut und wurden Teil der Konsumgesellschaft. Lulas Erfolg brachte 2010 auch seiner Erbin Rousseff den Sieg und könnte ihr 2014 die Fortsetzung bescheren, viele Landsleute vertrauen nach wie vor der erfolgreichen Sozialhilfe. Doch das Modell Lula/Dilma/PT hat gelitten. Das Wachstum stockt, die Unzufriedenheit über Vetternwirtschaft und Geldverschwendung nimmt zu, die für Fußball-WM und Olympia 2016 versprochenen Straßen und Flughäfen werden nur zögerlich fertig.

Aécio Neves (Mitte) fordert Dilma Rousseff heraus. (Foto: AFP)

Showdown zwischen Rousseff und Neves

Da wurde statt der zierlichen Marina Silva auf einmal wieder der smarte Aécio Neves der Herausforderer, der Enkel eines tragischen Siegers: Sein Großvater Tancredo Neves wurde nach dem Ende der Militärdiktatur 1985 zum Präsidenten gewählt, erlag jedoch vor Amtsantritt einer Blutvergiftung. Der leutselige Aécio Neves, 54, kam wie die spröde Dilma Rousseff in der Stadt Belo Horizonte zur Welt und gilt als Freund des guten Lebens und der Unternehmerelite.

Der vormalige Gouverneur des Bundesstaates Minas Gerais wird vor dem Showdown versuchen, den Ärger vieler Brasilianer über Stillstand und Korruptionsskandale zu nützen. Die Präsidentin Rousseff wird als Stimme der Bedürftigen und neuen Mittelklasse auftreten. Und beide werden möglichst viele jener Wähler brauchen, die das gestrauchelte Phänomen Marina Silva zurücklässt. Sie gab zu verstehen, dass sie den Wandel unterstütze, also Aécio Neves.

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