Polizeiübergriff bei Demonstration:Schlag ins Gesicht

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Ein Video zeigt, wie ein Mann am Rande einer Demonstration in Berlin von Beamten ins Gesicht geschlagen, zu Boden gezerrt und getreten wird. Jetzt ermittelt die Polizei in den eigenen Reihen.

Bei einer Demonstration von rund 10.000 Menschen gegen den "Überwachungswahn" ist die Polizei am Samstag in Berlin gegen einzelne Teilnehmer mit Schlägen und Tritten vorgegangen. Nachdem auf Youtube ein Video dazu veröffentlicht wurde, ermittelt die Polizei jetzt wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt in den eigenen Reihen, wie ein Polizeisprecher bestätigte.

In dem Video wird ein Radfahrer bei der Demonstration "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn" von einem Polizisten am Hemd gezogen und ins Gesicht geschlagen. Danach zeigt das Video, wie mehrere Polizisten den Mann zu Boden zerren und treten. Ein anderer Teilnehmer trug nach einem Schlag eine blutende Nase davon.

Mitarbeiter des Landeskriminalamts arbeiteten mit Hochdruck an der Aufklärung des Zwischenfalls, sagte der Polizeisprecher. Die Echtheit des Videos werde nicht bestritten. Problematisch sei jedoch, dass es nicht die Vorgeschichte zeige. Inzwischen stellte die Polizei auch von Amts wegen eine Strafanzeige, hieß es am Abend.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch müssten im Innenausschuss am nächsten Montag Stellung nehmen, ob gegen Demonstranten am Wochenende unverhältnismäßig vorgegangen wurde, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Björn Jotzo, am Montag. Schwere Vorwürfe erhob der Anwalt eines verletzten Demonstranten. Die Darstellung der Polizei sei falsch, sagte Johannes Eisenberg. Er sprach von Misshandlung eines Demonstranten.

Die Demonstration sei weitgehend friedlich verlaufen, teilte die Polizei am Sonntag mit. Sie sprach von 10.000 Teilnehmern, die Veranstalter von 20.000 Demonstranten, die gegen Internet-Sperren und die sogenannte Vorratsdatenspeicherung protestierten.

Zu der Demonstration hatten Gewerkschaften, Parteien, Bürgerinitiativen, Menschenrechtsorganisationen und Berufsverbände aufgerufen. Auf Plakaten forderten die Teilnehmer unter anderem "Keine Festung Europa: Frei denken! Frei bewegen! Frei Sein!"

Zu dem gewalttätigen Übergriff kam es nach Angaben der Polizei, als rund 700 Angehörige des sogenannten "antikapitalistischen Blocks" in Berlin-Kreuzberg von der angemeldeten Wegstrecke abweichen wollten und die Polizei dies verhinderte. Aus einem Lautsprecherwagen sei zu Straftaten aufgerufen worden. Als die Polizisten den Wagen überprüften, seien sie aus der Menge vereinzelt mit Flaschen beworfen worden, dabei sei aber niemand verletzt worden.

Besonders massiv habe ein 37-jähriger Mann gestört, der in dem Video als Radfahrer zu erkennen ist. Ihm sei wiederholt ein Platzverweis erteilt worden, dem er aber nicht nachgekommen sei. Daraufhin nahmen ihn die Beamten fest, heißt es zu der Gewaltszene in dem Video. "Der 37-Jährige erlitt bei seiner Festnahme Verletzungen im Gesicht und kam zur Behandlung in ein Krankenhaus."

Im Nebentext zum Video hieß es dagegen, der Radfahrer wollte Anzeige gegen einen Beamten erstatten, der zuvor einen Freund "unter unfreundlichen Umständen festgesetzt" hatte. Ob der 37-Jährige Anzeige erstatten wollte, konnte der Sprecher noch nicht bestätigen.

Organisatoren fordern lückenlose Aufklärung

Die Organisatoren zeigten sich bestürzt. "Uns ist völlig unverständlich, wie die Polizei so agieren konnte." Sie forderten die lückenlose Aufklärung des Vorfalls. Die IG-Metall-Jugend und Verdi-Jugend bezeichneten das "brutale Vorgehen der Polizei als eine Schande für den demokratischen Rechtsstaat". Sie verlangten die sofortige Einsetzung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses durch die Bundesregierung.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele stellte die Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes bei der Demonstration für Datenschutz infrage. "Die Demo war absolut friedlich, wie es friedlicher nicht hätte sein können", sagte Ströbele dem Kölner Stadt-Anzeiger . Er habe über mehrere Stunden den Demonstrationszug begleitet, "ohne dass es irgendeine Aggression gegeben hätte".

Die Demonstrationen waren Teil eines internationalen Aktionstages. Mit der sogenannten Vorratsdatenspeicherung werden alle Daten von Telefon- und Internetverbindungen erfasst. Die Telekommunikations-Unternehmen müssen diese Daten ein halbes Jahr lang speichern. Dabei geht es um Rufnummer, Uhrzeit, Datum der Verbindung, bei Handys auch den Standort zu Beginn des Gesprächs.

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