Polizeischutz für Castor-Transport:"Willkürlich, planlos, rabiat"

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Mit mehrstündiger Verspätung ist der Castor-Transport im Zwischenlager in Lubmin angekommen. Von den Atomkraft-Gegnern kommt nun massive Kritik am Vorgehen der Polizei.

Trotz heftiger Proteste mit Sitzblockaden hat ein Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll aus Karlsruhe nach mehr als 26 Stunden Fahrt das Zwischenlager Nord bei Lubmin erreicht. Auf dem Weg durch Mecklenburg-Vorpommern hinderten Einsatzkräfte in der Nacht zum Donnerstag an mehreren Stellen Demonstranten daran, den Zug mit den fünf Castoren zu stoppen, teilte die Polizei mit. So waren in der Umgebung von Schwerin Aktivisten auf die Schienen gelangt, wie ein Polizeisprecher sagte. Die Blockaden wurden von der Polizei aufgelöst.

Castor-Transport nach Lubmin
:Mit Ketten und Schildern gegen den Castor

Um den geplanten Castor-Transport aus Karlsruhe zu verhindern, blockierten hunderte Atomgegner in der Nacht die Gleise. Vergeblich.

Nahe Rostock haben nach Polizeiangaben Strohballen auf dem Gleis gebrannt. Etwas weiter östlich ketteten sich zwei Aktivisten an die Gleise und stoppten den Zug für fast eine Stunde, wie eine Sprecherin der Anti-Atom-Initiative "Lubmin niX da" sagte. In der Nähe von Lubmin hatten nach Angaben der Polizei schon lange vor Ankunft des Transports zahlreiche Atomkraftgegner an mehreren Stellen die Gleise besetzt. Die Blockaden wurden kurz vor Eintreffen des Castor-Zuges von der Polizei aufgelöst.

"Ausgeschlagene Zähne, aufgeplatzte Lippen, blutende Nasen"

Atomkraftgegner werfen der Polizei ein unverhältnismäßig hartes Vorgehen bei den Protestaktionen: Die Sprecherin von "Lubmin niX da" kritisierte, dass die Einsatzkräfte gegen Mahnwachen und Sitzblockaden in der Nähe des Zwischenlagers teilweise "rabiat" und mit Pfefferspray vorgegangen seien. Ulrike Berger, Landesvorstandsmitglied der Grünen in Mecklenburg-Vorpommern, sagte, auf dem Weg zu einer Sitzblockade bei Kemnitz seien die Beamten "willkürlich" und "planlos" gegen etwa 120 Demonstranten vorgegangen. Es habe "ausgeschlagene Zähne, aufgeplatzte Lippen und blutende Nasen" gegeben.

Eine junge Frau habe stationär behandelt werden müssen. Darüber hinaus hätten die Polizisten Aktivisten in Gewahrsam genommen. Am Mittwoch hätte die Polizei zwei Platzverweise willkürlich erteilt, diese seien dann später vor Gericht gescheitert. Die Polizei wollte sich zu diesen Vorwürfen zunächst nicht äußern. Sie räumte nur den "Einsatz einfacher körperlicher Gewalt" ein.

Der Transport war am Mittwochmorgen in Karlsruhe gestartet, nachdem die Polizei auf den ersten Kilometern eine Schienenblockade von etwa 400 Demonstranten aufgelöst hatte. Auf seiner Fahrt quer durch Deutschland bis Mecklenburg-Vorpommern wurde er dann nur einmal in der Nähe von Halle aufgehalten, wo sich Aktivisten der Umweltschutzorganisation Robin Wood von einer Eisenbahnbrücke über der Saale abgeseilt hatten.

Die fünf Castoren enthielten rund 60 Tonnen Atommüll, der in Glas eingeschmolzen wurde. Dieser Atommüll entstand zwischen 1971 und 1990 in der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe, die im Pilotbetrieb mehr als 200 Tonnen abgebrannte Kernbrennstäbe recycelte. Es war der zweite Castor-Transport ins Zwischenlager Lubmin innerhalb von zwei Monaten.

Im Dezember waren vier Castoren mit hochradioaktivem Atommüll aus Forschungsanlagen nach Mecklenburg-Vorpommern gebracht worden. Das Zwischenlager war ursprünglich nur für die verstrahlten Überreste der DDR-Reaktoren in Lubmin und Rheinsberg gebaut worden.

Die bundeseigenen Energiewerke Nord (EWN) als Betreiber des Zwischenlagers erwarten nun keine weiteren Castor-Transporte mehr. Zum einen sei im Zwischenlager kaum noch Platz, zum zweiten verfüge der Bund über keinen weiteren hochradioaktiven Atommüll, sagte eine Unternehmenssprecherin.

© AFP/dpa/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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