Politkowskaja-Prozess:Verhandlung hinter verschlossenen Türen

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Im Prozess um den Mord an der Journalistin Politkowskaja fürchtet die russische Justiz um die Sicherheit der Beteiligten - und schließt die Öffentlichkeit aus.

Der Prozess um den Mord an der russischen Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja findet anders als zunächst angekündigt nun doch hinter verschlossenen Türen statt. Der zuständige Richter am Militärgericht in Moskau, Jewgeni Subow, widerrief am Mittwoch seine Ankündigung, das Verfahren öffentlich abzuhalten. Damit solle die Sicherheit der Prozessbeteiligten und ihrer Angehörigen gewährleistet werden.

Nur kurz durften die Kameras im Gerichtssaal bleiben. (Foto: Foto: dpa)

Die Geschworenen hatten sich zu Prozessbeginn geweigert, den Verhandlungssaal im Beisein der Presse zu betreten. In vielen russischen Strafprozessen ist es schwierig, genügend Schöffen zu finden, da die Laienrichter unter anderem Racheakte der Verurteilten fürchten. Wenn ein Geschworener seinen Eid geleistet habe, müsse ihm klar sein, dass er in seiner Funktion als Richter in der Öffentlichkeit stehe, sagte die Anwältin der Politkowskaja-Familie, Karina Moskalenko.

Russische Menschenrechtsorganisationen sowie die Hinterbliebenen der Reporterin kritisierten den Ausschluss. Auch die Verteidiger der insgesamt vier Angeklagten, die am Mittwoch auf nicht schuldig plädierten, reagierten auf den Beschluss mit Unverständnis.

Chefredakteur Dmitri Muratow von der Oppositionszeitung Nowaja Gaseta, für die die Journalistin gearbeitet hatte, sprach von einer "Schande". Die Vize-Direktorin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Moskau, Tatjana Lokschina, nannte die Entscheidung "nicht nachvollziehbar".

Nach dem Ausschluss der Öffentlichkeit begann das Gericht am Mittwoch mit der ersten Anhörung, wie die Agentur Interfax meldete. Dabei hätten die vier Verdächtigen nach der Verlesung der Anklageschrift die Vorwürfe zurückgewiesen. Der mutmaßliche Mörder, der Tschetschene Rustam Machmudow, ist auf der Flucht.

Vor Gericht müssen sich zwei Brüder Machmudows und ein Polizist wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Ein vierter Angeklagter soll die Adresse der Reporterin verraten haben. Die wegen ihrer kritischen Tschetschenien- Berichte bekannte Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 im Alter von 48 Jahren vor ihrer Moskauer Wohnung erschossen worden.

Menschenrechtler kritisieren, dass bis heute weder die Auftraggeber des Mordes noch die Geldgeber ermittelt wurden. Bereits Mitte 2007 hatte die Generalstaatsanwaltschaft die "Aufklärung des Mordes" verkündet und Tschetschenen sowie "Staatsfeinde im Ausland" als Täter benannt.

Einer der Ermittler behauptete, der im Londoner Exil lebende Oligarch Boris Beresowski habe Politkowskaja auf dem Gewissen. Zugleich halten sich bis heute in Russland Spekulationen, dass die Spuren bis in den Kreml führen. Menschenrechtler vermuten, dass eine Aufklärung des Falls nicht im Interesse der russischen Führung liege und deshalb verhindert werde.

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