Politische Botschaften:Statement mit Gummiband

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Wie Staats- und Regierungschefs die eigene Maske als Symbol nutzen.

Von Reymer Klüver

Am Donnerstag gab es in Berlin eine Premiere, die im üblichen Trubel der Ereignisse kurz vor Beginn der parlamentarischen Sommerferien ein wenig untergegangen ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum ersten Mal, seitdem das Robert-Koch-Institut dringend dazu rät, eine "Mund-Nasen-Bedeckung (textile Barriere im Sinne eines MNS) in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum" anzulegen, tatsächlich eine solche getragen. Zumindest ließ sie sich das erste Mal damit fotografieren. Beim Vorbereitungstreffen der Unionsländer vor der Bundesratssitzung am Freitag erschien sie mit nachtblauer Maske, auf der das Logo der deutschen EU-Präsidentschaft zu sehen war.

Merkel weiß natürlich um die Macht der Symbole in der Politik - obwohl ihr Symbolpolitik zuwider ist. Doch dann kam vergangenen Dienstag ihr Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (ein fleißiger Maskenträger, gerne in dunklem Blau mit einer Trikolore am Rand). Da wurde sie gefragt, warum sie denn nie mit Maske zu sehen sei. Zwei Tage später betrieb sie dann doch ihre kleine Symbolpolitik.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro weigert sich weiter, den Schutz aufzuziehen

Merkel ist nicht die einzige unter Europas Regierungschefs, die gezögert hat, sich das Gesicht jedenfalls zum Teil zu bedecken. Britanniens Premier Boris Johnson hat erst vor wenigen Tagen seine Landsleute wieder aufgefordert, Masken anzulegen, wenn sie in einer Schlange stehen. Er selbst lässt sich offenbar nicht gern mit Gesichtstuch fotografieren. Jedenfalls gab er, danach gefragt, seinem Hang nach, den ersten Clown der Nation zu spielen, und sagte, dass auch er eine Maske trage. Allerdings "sieht es ziemlich furchterregend aus, wenn ich sie anlege". So wie er hielt sich auch die königliche Familie bisher vornehm zurück. Als sich Prinz William vergangene Woche erstmals öffentlich mit Maske zeigte, wurde das ausführlich in den britischen Medien gewürdigt. Damit habe er bewiesen, dass er endgültig "fit" sei, König zu werden, jubelte der Daily Express.

Wenn der Mundschutz in der Öffentlichkeit tatsächlich ein Tauglichkeitskriterium für politische Führung in Corona-Zeiten sein sollte, dann versagen manche kläglich und täglich. Brasiliens rechter Präsident Jair Bolsonaro tut noch immer so, als sei Covid-19 nicht schlimmer als eine kleine Grippe. Masken sind da überflüssig. Er schützt sich und andere ebenso wenig wie US-Präsident Donald Trump, der Maskentragen offenkundig für unmännlich oder hasenfüßig hält. Bei Trumps jüngsten Auftritten in der Öffentlichkeit trug kaum einer seiner Anhänger Mundschutz, in seinem persönlichen Umfeld waren sie lange verpönt. Erst seitdem das Virus auch im (konservativen) Herzland Amerikas wütet, legt Vizepräsident Mike Pence immer öfter eine Maske an. Trump weigert sich noch immer.

In Asien, wo Gesichtsmasken zum Alltag gehören, gibt es den Streit um Sinn und Unsinn nicht. Schon gar nicht taugen sie zum politischen Symbol. Japans Premier Shinzō Abe trägt sie ebenso wie Chinas starker Mann, Xi Jinping.

So selbstverständlich ist das in Europa noch lange nicht. Und dürfte es so schnell auch nicht werden. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz jedenfalls, der früh strikte Mundschutzdisziplin in der Öffentlichkeit zelebrierte, ließ die Maske rasch wieder fallen, als die Touristensaison nahte.

© SZ vom 07.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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