Polen:Viele Umweltsorgen, wenige Wähler

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Die Grünen sind erstmals ins Parlament in Warschau eingezogen. Doch das war nur durch ein Bündnis möglich.

Von Florian Hassel

Für Małgorzata Tracz, Co-Vorsitzende der polnischen Grünen, war der 13. Oktober ein Jubeltag. Zum ersten Mal überhaupt zogen die Grünen ins polnische Parlament ein. Künftig wollen Tracz und ihre zwei Abgeordnetenkollegen Urszula Zielinska und Tomasz Aniśko gegen Klimawandel kämpfen und sich um sauberere Luft in Polens smogverseuchten Großstädten kümmern. Der Einzug ins Parlament war freilich nur huckepack möglich, in einem Wahlbündnis mit der konservativen "Bürgerplattform". Allein hätten die Grünen keine Chance gehabt. Beim Testlauf, den Lokalwahlen im Herbst 2018, stellten die Grünen erstmals im ganzen Land Kandidaten auf - bekamen aber nur 1,15 Prozent der Stimmen.

Neidvoll blicken Polens Grüne auf ihre deutschen Parteifreunde. Wie in anderen Ostblockländern gab es in Polen Ende der 60er Jahre keine breite Aufbruch- und Proteststimmung, welche die Grundlage für eine liberalere Gesellschaft und den Aufstieg der deutschen Grünen legte. Polens Dissidenten waren mit dem Kampf gegen das kommunistische Regime beschäftigt. Nach 1989 interessierte Regierende und Regierte erst die Rettung vor dem wirtschaftlichen Kollaps, später, nach Beginn des polnischen Booms, die Aufholjagd um persönlichen Wohlstand.

Erst 2004 wurden die polnischen Grünen gegründet. Doch es fehlten charismatische Führungspersonen; gesellschaftlich liberale Positionen für ein gelockertes Abtreibungsrecht oder die Gleichberechtigung für Homosexuelle wurden auch von Polens linken Parteien gepflegt. Umfragen zufolge machen sich auch über zwei Drittel der Polen Sorgen um die Umwelt - nennenswerte Unterstützung für die Grünen an der Wahlurne resultiert daraus bisher freilich nicht. Parteivorsitzende Tracz reflektierte selbstkritisch, mit zu wissenschaftlich klingenden Formulierungen hätten die Grünen den Polen lange nicht deutlich gemacht, wofür sie eigentlich stehen.

So gingen die Grünen vor der Oktober-Wahl einen Pakt mit der "Bürgerkoalition" ein - und schrieben eine ganze Passage zur Umweltpolitik ins Programm. Im Parlament wollen sie für einen allmählichen Ausstieg aus der Kohle werben und den gleichzeitigen Umstieg etwa auf Sonnenenergie als Jobprogramm für zu entlassende Bergleute vermitteln. Auch freuen sich die Grünen über nun umgerechnet 70 000 Euro staatliche Parteienfinanzierung jährlich, die es erstmals erlauben wird, einige Mitarbeiter einzustellen und für die "grüne Welle" zu werben, die Tracz auch in Polen erhofft.

© SZ vom 07.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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