Polen:Testfall für die EU

Das Oberste Gericht hat ein Urteil gefällt, das ein Beben auslösen wird - juristisch und vermutlich auch politisch.

Von Florian Hassel

Polens Oberstes Gericht hat ein wegweisendes Urteil gefällt: Zwei grundlegende Institutionen, mit denen die nationalpopulistische Regierung sich die Justiz untertan machen will, sind illegal, weil nicht unabhängig im Sinne europäischen Rechts. Der Richterspruch zum Landesjustizrat (KRS) und zur Disziplinarkammer am Obersten Gericht wird juristisch ein Erdbeben auslösen - und wahrscheinlich auch politisch.

Juristisch, weil nun jedes Urteil von weit mehr als 550 teils unqualifizierten, aber von der PiS-Regierung ins Amt gehievten Richtern für ungültig erklärt werden kann. In Polen wird auf Jahre hinaus eben das juristische Chaos herrschen, vor dem Kritiker der "Justizreform" seit Jahren gewarnt haben. Politisch, weil Regierung und PiS-Chef Jarosław Kaczyński nicht zum Nachgeben bereit sind.

Polens noch unabhängige Richter brauchen nun alle Unterstützung - auch aus Berlin, Paris und anderen EU-Hauptstädten. Weitere Entscheidungen europäischer Gerichte werden folgen, möglicherweise Bußgelder in Millionenhöhe. Die Entwicklung nach dem Urteil der polnischen Richter wird auch ein Testfall für die EU-Kommission, die zuletzt einen sachlich unangebrachten Entspannungskurs gegenüber Warschau und anderen Rechtsbrechern in der Europäischen Union pflegte.

© SZ vom 06.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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