Polen:Neuer Anlauf nach dem Veto

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Präsident Duda scheint vor allem seine eigene Position stärken zu wollen. (Foto: Wojtek Radwanski/AFP)

Präsident Duda legt Entwürfe für umstrittene Justizgesetze vor. Er scheint vor allem seine eigene Macht ausbauen zu wollen.

Von Florian Hassel, Warschau

Zwei Monate nach seinem Veto gegen zwei umstrittene Justizgesetze hat Polens Präsident Andrzej Duda eigene Gesetzentwürfe und einen Vorschlag für eine Verfassungsänderung vorgelegt. Erste Reaktionen werten Dudas Vorschläge als Versuch, die eigene Macht auszuweiten - und als ebenso verfassungswidrig wie vorangegangene Gesetze zur Justiz. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans empfahl Warschau, die Entwürfe der Venedig-Kommission vorzulegen, dem mit Verfassungsfragen betrauten Expertengremium des Europarates.

Präsident Duda, der wie die Regierung der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (Pis) angehört, hatte im Juli sein Veto gegen ein Gesetz zum Obersten Gericht und ein weiteres zum Landesjustizrat eingelegt. Den Präsidenten störte, dass Polens Justizminister (gleichzeitig der Generalstaatsanwalt) auf Basis des neuen Gesetzes alle Richter des Obersten Gerichts entlassen konnte und neue Richter nicht mehr durch Richterversammlungen gewählt werden sollten, sondern durch eine einfache Mehrheit im Parlament. Auch die Mitglieder des Landesjustizrates (KRS), dem mit der Wahrung der Unabhängigkeit polnischer Richter betrauten Verfassungsorgan, sollten entlassen und ihre Nachfolger von einer einfachen Mehrheit im Parlament gewählt werden können.

Am Montag präsentierte Duda nun eigene Gesetzentwürfe. Auch diese würden im Fall ihrer Annahme die Unabhängigkeit der obersten Richter beseitigen. Duda nahm etwa die Idee auf, eine neue Disziplinarkammer für Richter zu schaffen, die offenbar vom Justizminister-Generalstaatsanwalt kontrolliert werden soll. Außerdem solle es für jedermann, der sich in Polen durch ein Gerichtsurteil geschädigt fühlt, eine neue Klagemöglichkeit am Obersten Gericht geben

Vor allem aber schlug der Präsident vor, die Altersgrenze für Richter am Obersten Gericht von 70 auf 65 Jahre zu senken und alle älteren Richter in Rente zu schicken. Von aktuell 82 Richtern des Obersten Gerichts - oberste Instanz in allen Straf-, Zivil- und Wirtschaftsprozessen - würden so 32 sofort ihr Amt verlieren, darunter die gegen die Justizreform der Regierung auftretende Gerichtspräsidentin Małgorzata Gersdorf. Eine längere Amtszeit soll nur möglich sein, wenn Präsident Duda zustimmt. Der Präsident schlug zudem vor, neue Richter sollten mit einer Mehrheit von drei Fünftel der Stimmen im Parlament gewählt werden.

Die vorzeitige Beendigung der Amtszeit, etwa der Präsidentin des Obersten Gerichts, ist verfassungswidrig. Zudem schließt Polens Verfassung generell auch eine Wahl von Richtern durch das Parlament aus: Die Verfassungsväter wollten so die Abhängigkeit der Justiz von der Regierung wie im kommunistischen Polen vermeiden. Das Gleiche gilt für den Landesjustizrat KRS. Die bisher 15 KRS-Richter werden gemäß der Verfassung von einer Richterversammlung gewählt. Auch die KRS-Richter will der Präsident künftig vom Parlament wählen lassen - von einer Drei-Fünftel-Mehrheit. Kommt diese nicht zustande, will der Präsident entscheiden dürfen. Generell sei eine Richterwahl durch das Parlament "verfassungswidrig", kommentierte KRS-Sprecher Waldemar Żurek.

Präsident Duda hat mit einer Richterwahl durch das Parlament grundsätzlich kein Problem: Für den Fall, dass sich im Parlament keine Drei-Fünftel-Mehrheit finde und der Präsident entscheiden wolle, müsse die Verfassung geändert werden. Duda präsentierte einen entsprechenden Entwurf. Einer Verfassungsänderung müsste indes eine Zwei-Drittel-Mehrheit im polnischen Parlament zustimmen. Diese fehlt der Regierung. Die Oppositionsparteien Bürgerplattform (PO) und Moderne lehnten Dudas Initiave zur Verfassungsänderung ebenso ab wie seine Gesetzentwürfe. "Dies ist keinerlei Justizreform", sagte der PO-Abgeordnete Jan Grabiec. Stattdessen gehe es um einen Pis-internen Machtkampf. Dies deckt sich mit Stimmen aus der Regierung. Pis-Chef Jarosław Kaczyński sagte dem Magazin Do Rzeczy, die "Sache mit den Gerichten" sei seine wichtigste politische Aufgabe. Allerdings gebe es zwischen ihm und dem Präsidenten "weitreichende Meinungsunterschiede". Der Pis gefällt allerdings Dudas Vorschlag, viele Richter des Obersten Gerichts durch die neue Altersgrenze zu entlassen.

Schon jetzt sind weite Teile der Justiz unter Kontrolle der Regierung. Das Verfassungsgericht entscheidet nach mehreren rechtswidrigen Gesetzen und Richterbesetzungen seit Ende 2016 nur noch im Sinne der Regierung. Vor einigen Wochen trat zudem ein von Präsident Duda im Juli unterschriebenes Gesetz in Kraft: Es erlaubt dem Justizminister, die Präsidenten und ihre Stellvertreter an allen polnischen Gerichten unterhalb von Verfassungsgericht und Oberstem Gericht zu entlassen.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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