Polen:Mit Englisch punkten

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Sie regierte zwei Jahre lang: Auf Ministerpräsidentin Szydło folgt der international erfahrene bisherige Wirtschaftsminister Morawiecki.

Von Florian Hassel, Warschau

War zwei Jahre Regierungschefin Polens: Beata Szydlo. (Foto: AFP)

Es kam nicht überraschend, als Polens Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (Pis) bekannt gab, dass Ministerpräsidentin Beata Szydło ihren Rücktritt eingereicht hat, und Finanzminister Mateusz Morawiecki ihre Nachfolge antritt. Seit Spätsommer kündigten Parteigrößen eine Regierungsumbildung an. Offen war nur, ob Pis-Parteichef Jarosław Kaczyński - der eigentlich regierende Politiker - die Regierung auch offiziell übernehmen oder diese Aufgabe weiter jemand anderem überlassen wollte. Jetzt ist klar: Mateusz Morawiecki, der 49 Jahre alte Finanz- und Wirtschaftsminister, löst Szydło ab; Kaczyński regiert weiterhin hinter den Kulissen.

Warum der Wechsel überhaupt stattfindet, weiß letztlich nur Kaczyński selbst. Nach zwei Jahren Regierung steht die Pis aus ihrer Sicht glänzend da. Mit Einführung eines großzügigen Kindergeldes oder der Senkung des Rentenalters hat die nationalpopulistische Partei ihre Anhänger hinter sich geschart. Politisch geht der Aufbau eines autoritären Regierungssystems weiter, ohne dass die Polen dagegen massiv protestierten.

Umfragen sind in Polen notorisch unzuverlässig, doch belegt zumindest ihre politische Dominanz, dass die Pis mit angeblich bis zu 40 Prozent Zustimmung mit Abstand stärkste Partei ist und der Zweitplatzierte, die oppositionelle Bürgerplattform, bei 20 Prozent dümpelt. Ihren Anhängern verkauft sich die Regierung als durchgehend erfolgreich. Ministerpräsidentin Beata Szydło stand wie kein anderer für das populäre Kindergeld. Sie ist nach Präsident Andrzej Duda Polens beliebteste Politikerin. Pis-Leute streuten als Grund für ihre bevorstehende Ablösung, Szydło habe das Vertrauen von Parteichef Kaczyński verloren. Freilich gab es solche Berichte schon seit Beginn der Regierungszeit Szydłos im November 2015.

Wochenlang war spekuliert worden, Kaczyński selbst werde Ministerpräsident. Allerdings scheint der Pis-Chef nicht bei bester Gesundheit zu sein; dass er angeschlagen wirkt, erklären seine Imagemacher mit Knieprobleme und einer bevorstehenden Operation.

Möglicherweise will Kaczyński einen Nachfolger aufbauen, die Macht aber zunächst in der Hand behalten: Morawiecki mag nach seinem Geschmack sein, er trat aber erst 2016 in die Pis ein. Viele Parteigrößen - und Konkurrenten um die Kaczyński-Nachfolge - sehen ihn als Fremdkörper. Weil Morawiecki über keinen eigenen Rückhalt verfügt, könnte ihn Kaczyński problemlos wieder entlassen.

Als weitere Erklärung für die Berufung Morawieckis führen Warschauer Medien an, dass dieser mitbringt, was Kaczyński und anderen Parteigrößen fehlt. Er spricht fließend Englisch und auch Deutsch, ist als Banker international erfahren. In einer Zeit, in der sich Polen international isoliert, solle er versuchen, Polens Image im Westen aufzupolieren und Sanktionen der EU und des Europäischen Gerichtshofs zu verhindern oder abzumildern. Die nun abgelöste Ministerpräsidentin Szydło dagegen machte sich mit fragwürdigen Auftritten einen schlechten Namen in Brüssel - zuletzt, als sie forderte, Polen solle doch davon befreit werden, alle EU-Vorgaben umsetzen zu müssen.

Wenn Morawiecki vereidigt ist und nächste Woche auch sein neues Kabinett vorgestellt hat, soll er bei Antrittsbesuchen in den Partnerländern wahrscheinlich auch ablenken vom fortschreitenden Abbau der Demokratie in Polen: Es war kaum zufällig, dass am Freitag Szydłos Ablösung und Austausch durch Morawiecki nur Stunden vor Abstimmungen bekannt gegeben wurde, in denen die Regierung zwei verfassungswidrige Gesetze beschloss. Sie schaffen die Unabhängigkeit des Obersten Gerichts ab und des ebenso wichtigen Landesjustizrates. Sie unterstellen die Justiz komplett der Regierung, nachdem die Pis bereits das Verfassungsgericht kontrolliert und die allgemeinen Gerichten auf Linie gebracht wurden.

Mateusz Morawiecki dürfte aber den zunehmend autoritären Kurs Polens unter der Pis auch als Ministerpräsident rechtfertigen. Nachdem die nationalpopulistische Regierung Ende 2015 verfassungswidrige Gesetze erlassen hatte, um sich das Verfassungsgericht zu unterstellen, rechtfertigte Morawieckis Vater Kornel dies im Parlament: über dem Recht stehe "der Wille des Volkes". Morawiecki junior distanzierte sich nicht von der Aussage seines Vaters. Er bekräftigte im Februar 2017 gegenüber der Deutschen Welle auch auf Nachfrage, es gebe Wichtigeres als das Recht - etwa "menschliches Leben oder Sicherheit".

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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