Polen:"Es wird ein knappes Rennen"

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Bei der Präsidentschaftswahl erhielt Amtsinhaber Andrzej Duda zwar einen deutlichen Vorsprung vor Herausforderer Rafał Trzaskowski, muss aber in die Stichwahl.

Von Viktoria Großmann, München

Das Rennen im polnischen Präsidentschaftswahlkampf ist noch offen. Der amtierende Präsident Andrzej Duda muss zwar in die Stichwahl, hat aber einen deutlichen Vorsprung. Er erhielt am Sonntag knapp 43 Prozent der Wählerstimmen, sein Herausforderer Rafał Trzaskowski wenig über 30 Prozent. Damit liegt bis zum zweiten Wahlgang am 12. Juli noch viel Überzeugungsarbeit vor dem Warschauer Bürgermeister. Doch der liberal-konservative Trzaskowski sei "nicht chancenlos", sagt Adam Traczyk von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. "Es wird ein knappes Rennen", schätzt er und womöglich ein entsprechend schmutziger Wahlkampf. Denn für die Regierungspartei PiS, die Andrzej Duda unterstützt, geht es um alles. Wenn Duda verliere, könne die Regierung zusammenbrechen.

Er muss noch um alle Lager kämpfen: Rafał Trzaskowski hat Polens Präsident Duda in die Stichwahl gezwungen. (Foto: Jakub Kaminski /imago)

Der 48-jährige Duda gilt als "Marionette" der PiS. "Er unterschreibt alles, was die PiS möchte", sagt Traczyk. Im Wahlkampf habe ihm eine eindeutige Botschaft gefehlt, ergänzt Traczyks Kollege Milan Nič. Er trete nicht als Sieger auf, setze vor allem darauf, mit den Ängsten der Bürger zu spielen. "Er steuert diese Kampagne nicht, er ist völlig in der Hand der PiS." Diese sei besorgt, gehe in eine "aggressive Verteidigungshaltung", so Nič. Und wird so die gesellschaftliche Spaltung zwischen progressiv und konservativ, Stadt und Land, möglicherweise noch vertiefen.

Der polnische Präsident Andrzej Duda am Montag bei einem Besuch in der Stadt Torun: Im ersten Wahlgang liegt er vorn, besonders in Kleinstädten und auf dem Land hat er Anhänger. (Foto: Tytus Zmijewski/dpa)

Trzaskowski, Kandidat der Bürgerplattform (PO), die im Europäischen Parlament der EVP angehört, müsste auf das Beste aus allen Welten setzen: sich zu den sozialen Wohltaten bekennen, welche die PiS in den vergangenen Jahren verteilt hat - und zu Rechtsstaatlichkeit und Zusammenarbeit mit der EU.

"Die Leute wählen die PiS trotz der Justizreform", erklärt Traczyk. Viele Menschen sähen diese Reform, welche die Unabhängigkeit der Richter untergräbt, sowie die politische Steuerung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sehr kritisch. Gleichzeitig aber habe es die PiS geschafft, vielen Menschen gerade auf dem Land ein Gefühl der Wertschätzung zu vermitteln. "Sie haben den Eindruck, dass sie mehr gehört werden und mitbestimmen können", sagt Traczyk. Und das auch, weil Präsident Duda ständig unterwegs war, selbst in den kleinsten Orten Hände schüttelte.

Um zu gewinnen, müssen beide Kandidaten nun in allen Lagern fischen. Trzaskowski gilt ein Erfolg im linken Lager als sicher, selbst am ganz rechten Rand könnte er unter wirtschaftsliberal eingestellten Wählern punkten. Extrem rechte Wähler hingegen bleiben im zweiten Wahlgang entweder zu Hause oder entscheiden sich für Duda, der die Gemeinsamkeiten mit der rechtsextremen Partei Konföderation betont, wie ein traditionelles Familienbild.

Es geht um viel bei dieser Präsidentschaftswahl, das zeigt auch die historisch hohe Wahlbeteiligung von 64,3 Prozent. Es ist auch eine Abstimmung über die eigene Identität und die Werte der EU. Laut Eurobarometer bekennen sich 81 Prozent der Polen klar zur EU. Traczyk hält es daher für möglich, dass die Stimmen der im Ausland lebenden Polen die entscheidenden bei einem sehr knappen Ergebnis sein könnten.

© SZ vom 30.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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