Polen:Der Notar

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Am Sonntag kam es in Warschau zu Protesten gegen die nationalpopulistische Regierung. (Foto: Janek Skarzynski/AFP)
  • Polens Präsident Andrzej Duda hat im Streit um Berichterstattung aus dem Parlament seine Vermittlung angeboten.
  • Duda hatte bei seinem Amtsantritt erklärt, ein überparteilicher Präsident sein zu wollen.
  • Doch bisher hat der Präsident die umnstrittenen Gesetzänderungen der nationalpopulistischen Pis-Partei stets abgenickt.

Von Florian Hassel, Warschau

Es sind lange Tage für Polens Präsidenten Andrzej Duda. Seit Freitag protestiert die Opposition mit einem Sit-in im polnischen Parlament. Ihr Protest richtet sich gegen die zum 1. Januar geplanten Einschränkungen der Pressefreiheit im Parlament und gegen die nationalpopulistische Regierung der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (Pis), die ihre Macht mit hoch umstrittenen Gesetzen ausbaut. Präsident Duda bot Vermittlung an - am Sonntag traf er sich mit den Führern der Opposition.

Am Montag folgten Treffen Dudas mit Pis-Parteichef Jarosław Kaczyński und dessen Vertrautem, dem Parlamentspräsidenten Marek Kuchciński. Dass dabei viel herauskommen würde, erwartete in Warschau kaum jemand. Die Regierung hat nun angekündigt, im Januar neue Vorschläge für die Arbeitsbedingungen von Parlamentsjournalisten vorzustellen. Grzegorz Schetyna, Führer der größten Oppositionspartei "Bürgerplattform" (PO), wies nach seinem Gespräch mit Duda darauf hin, dass nun ein Treffen mit Kaczyński nötig sei - dem Mann, der in Polen tatsächlich das Sagen hat.

Die polnische Regierung hat verdeutlicht, dass sie nicht vorhat, ihren Kurs zu ändern

Zu seinem Amtsantritt im Mai 2015 verkündete Duda zwar, er wolle als Präsident über den Parteien stehen. Tatsächlich aber zeigte sich Duda seitdem als so getreuer Parteigänger der Pis und seines Lehrmeisters Kaczyński, dass er den Spitznamen "der Notar" bekam - als jemand, der selbst fragwürdige Gesetze abzeichnet statt seine Unterschrift zu verweigern. Am deutlichsten wurde dies beim Angriff der Pis auf das Verfassungsgericht, der vor einem Jahr begann. Die Pis dominiert seit einer Wahl vom Oktober 2015 das Parlament mit absoluter Mehrheit und konnte so mit einem fragwürdigen Gesetz die Vollmacht des Verfassungsgerichts einschränken. Die Opposition, wie auch die Verfassungsrichter, der Europarat und die EU-Kommission, forderten Duda dazu auf, das umstrittene Gesetz nicht mit seiner Unterschrift zu versehen. Duda ignorierte die Aufforderung und weigert sich bis heute, drei noch unter der alten Regierung rechtskräftig gewählte Verfassungsrichter zu vereidigen.

Stattdessen vereidigte Duda in einer berüchtigten Zeremonie mehrere gesetzeswidrig gewählte Verfassungsrichter, sämtlich Parteigänger der Pis. Der Präsident setzte mit seiner Unterschrift 2016 weitere Gesetze zum Verfassungsgericht in Kraft, die vom Gericht und der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht für verfassungswidrig und europäischem Recht widersprechend erkannt wurden. Duda ratifizierte zudem weitere, mutmaßlich ebenfalls verfassungswidrige Gesetze, mit denen sich die Regierung etwa den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unterstellte, Vollmachten von Polizei oder Geheimdiensten ausbaute oder den Justizminister gleichzeitig zum Generalstaatsanwalt machte.

Auch in der aktuellen Krise, die schon vor dem Streit um die Medienregeln im Parlament begann, hat Duda bisher nicht vermittelt. Seit Ende November verabschiedet die Regierung weitere fragwürdige Gesetze im Parlament. Eine Neuerung zum Beispiel gibt dem Präsidenten das Recht, einen "amtierenden Präsidenten" des Verfassungsgerichts zu ernennen und der Pis so die Kontrolle über die Arbeitsweise des Gerichts zu sichern. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans bezeichnete dieses Vorhaben am Mittwoch im Europäischen Parlament als Rechtsbruch. Er forderte Duda auf, endlich die rechtskräftig gewählten Verfassungsrichter zu vereidigen und sich zu weigern, die neuen Gesetze zum Verfassungsgericht zu unterschreiben. Duda schwieg.

Die EU-Kommission wird sich am Mittwoch mit der Krise des Rechtsstaates in Polen befassen. Bereits am 22. Oktober lief ein Ultimatum der Kommission an die polnische Regierung aus, die Gesetze zur Einschränkung der Vollmachten des Verfassungsgerichts zu kassieren, zwei Grundsatzurteile des Verfassungsgerichts zu veröffentlichen und die drei legal gewählten Richter zu vereidigen. Die Regierung antwortete darauf offiziell, dass sie nichts davon zu tun gedenke. Die EU-Kommission kann Europas Staats- und Regierungschefs auffordern, Polen wegen "schwerwiegender und anhaltender Verletzung" der europäischen Werte das Stimmrecht zu entziehen. Allerdings ist eine solche Entscheidung nur einstimmig möglich. Ungarn will in diesem Fall sein Veto einlegen.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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