Poker beim Klimagipfel:Die Fragen von Kopenhagen

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Die Staats- und Regierungschefs haben nur noch wenig Zeit für einen Erfolg von Kopenhagen. Doch warum sind die Verhandlungen so zäh? Wie geht es weiter?

M. Bauchmüller u. M. Kotynek

Alles ist bereit für das Finale des Klimagipfels. Papiere liegen nach einem quälenden Verfahrensstreit auf dem Tisch, sie enthalten aber noch Dutzende Klammern und Optionen. Geht alles nach Plan, haben die Staats- und Regierungschefs aus 115 Staaten am Ende den Grundstein für ein neues Klimaabkommen gelegt. Doch dazu müssen sie einige Brocken aus dem Weg räumen.

Kampf gegen den Klimawandel: Die Satellitenaufnahme zeigt die größte Eisausdehnung in der Arktis für den Zeitraum 2008 und 2009. (Foto: Foto: dpa)

Warum kommen die Verhandlungen nur so mühsam voran?

Ein Teil ist Strategie, der Rest ist Misstrauen. In Erwartung der Staats- und Regierungschefs wagte bis zum Schluss kaum ein Verhandler, mehr zu versprechen als unbedingt nötig. Bei den zentralen Fragen drehten sich die Gespräche deshalb im Kreis.

Hinzu kommt einiges Misstrauen insbesondere der Entwicklungsländer. Sie fürchten, dass die Industriestaaten in Wirklichkeit das Kyoto-Protokoll aufgeben wollen - es schreibt den reichen Ländern verbindliche Schritte gegen den Klimawandel vor. Stattdessen wollten die Industriestaaten ein neues, unverbindlicheres Abkommen aushandeln, lautet der Vorwurf.

Verschiedene dänische Vorstöße schürten das Misstrauen zuletzt zusätzlich. Viele Staaten empfanden es als undemokratisch, dass die dänische Präsidentschaft einen eigenen Entwurf für das Klimaabkommen vorlegen wollte. Die Verhandler verbrachten fast den gesamten Mittwoch damit, über diese Frage zu streiten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welches Land sich wo quer legt.

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Wer legt sich quer und wobei?

Meist geht es um Geld. Je mehr Klimaschutz die Staaten verabreden, desto höher werden die Kosten. Auch deshalb sind die USA und China zurückhaltend, keiner möchte mehr schultern als der jeweils andere Staat.

Die Amerikaner wollen sich nur dann zu einem festen Emissionsziel verpflichten, wenn auch große Schwellenländer etwas gegen den Klimawandel tun - und das verbindlich. Gleichzeitig wollen kleine Inselstaaten nur einem ehrgeizigen Abkommen zustimmen, denn angesichts steigender Meeresspiegel fürchten sie um ihre Existenz.

Auch wollen Entwicklungsländer entschädigt werden - einerseits, weil sie oft übermäßig stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, andererseits, weil sie sich den Kampf gegen die Erderwärmung oft nicht leisten können. Unklar ist auch, wie Tropenländer dafür entschädigt werden, dass sie ihre Wälder als wichtige CO2-Speicher nicht abholzen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie stark die Emissionen sinken werden.

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Wie stark werden die Länder ihre Emissionen mindern?

Noch ist alles möglich - theoretisch sogar eine Steigerung der Emissionen. Das liegt daran, dass zwar alle möglichen Minderungsziele auf dem Tisch liegen. Doch gleichzeitig gibt es jede Menge Schlupflöcher. So könnten die Industriestaaten sich ihrer Pflichten entledigen, indem sie mehr Klimaschutz im Ausland betreiben, also für internationale Projekte Geld bereitstellen, im Inland aber weitermachen wie bisher.

Insgesamt reichen die Zusagen der Länder bisher für CO2-Minderungen von etwa 22 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990, allerdings noch ohne die USA. Wissenschaftler fordern mindestens 25 Prozent, empfehlen bis zu 40 Prozent. Entscheidend wird sein, ob die Staaten ihr Fernziel erreichen, nämlich den Anstieg der Erderwärmung zu begrenzen. Welchen Maximalanstieg sie anpeilen, ob ein Grad Celsius oder zwei, ist noch zu klären.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob die reichen Länder genug Geld geben.

Geben die reichen Länder genug Geld?

Zwei Summen müssen die Industriestaaten am Ende nennen: eine für Soforthilfe, also für Unterstützung der Entwicklungsländer in den nächsten drei Jahren - sie ist beinahe beisammen - und eine weitere für die Zeit zwischen 2013 und 2020. Nach Vorstellung der Europäischen Union müssten sich die weltweiten Ausgaben innerhalb dieses Zeitraums auf mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr addieren. Doch die Quelle ist noch unklar.

Die Entwicklungsländer pochen zudem auf einen festen Finanzierungsmechanismus, sie wollen sich nicht mit unverbindlichen Erklärungen abspeisen lassen. Doch der ist noch nicht in Sicht.

Warum streiten die Länder über die rechtliche Form einer Einigung?

Die rechtliche Form entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Die Staaten können sich noch so viel versprechen - wenn sie es nicht verbindlich machen, sind die Zusagen wenig wert. Gleichzeitig ist jetzt schon klar, dass am Ende der Konferenz kein unterschriftsreifes Abkommen stehen wird.

Die Lösung könnte ein Mandat sein, das weitere Verhandlungen über rechtlich verbindliche Abkommen für den Klimaschutz vorsieht - und die Eckpunkte dieser Abkommen gleich festlegt.

Lesen Sie auf der letzten Seite, wann der Gipfel wirklich zu Ende ist und wie es danach weiter geht.

Wann ist die Klimakonferenz in Kopenhagen tatsächlich zu Ende?

Schwer zu sagen. Denn ein solches Mandat können die Staats- und Regierungschefs formal gar nicht erteilen, sondern erst das Plenum der UN-Konferenz, nach der Abreise der meisten Staatschefs. Wie leicht sich die Beschlüsse der Oberhäupter-Runde in einen völkerrechtlich verbindlichen Text übersetzen lässt, hängt auch davon ab, wie klar die Beschlüsse der Staatschefs sind. Jedes kleine Missverständnis kann stundenlange Debatten auslösen. Die wenigsten Klimakonferenzen endeten pünktlich.

Und was passiert danach?

Soll das Abkommen rechtzeitig bis Ende 2012 in Kraft treten, müssen die Staaten spätestens im kommenden Jahr ein endgültiges Abkommen aushandeln. Zwei Gelegenheiten gibt es: Die nächste Klimakonferenz in Mexico City oder die Halbjahreskonferenz im Sommer in Bonn. Anschließend müssten genügend Staaten das Abkommen ratifizieren, damit es überhaupt in Kraft treten kann - und das binnen zwei Jahren. Beim Kyoto-Protokoll dauerte dies sieben Jahre.

© SZ vom 18.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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