Platzeck und Rot-Rot:"Ich lasse mir das nicht länger gefallen"

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Ministerpräsident Platzeck geht nach dem verpatzten Start von Rot-Rot in Brandenburg in die Offensive - und greift seine Kritiker an.

C. von Bullion

Nach dem misslungenen Auftakt von Rot-Rot in Brandenburg will Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in die Offensive gehen und die anhaltende Kritik nicht mehr hinnehmen.

Versucht die Flucht nach vorn: Ministerpräsident Matthias Platzeck (Foto: Foto: ddp)

"Ich war vier Monate lang viel zu ruhig. Ich lasse mir das nicht länger gefallen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Die rot-rote Koalition werde in ihrer Grundrichtung von einer Mehrheit der Brandenburger Wähler getragen, daran ändere auch die bundesweite "Kampagne" aus Springermedien und Parteien nichts.

"Vielleicht kommen die Kollegen von der CDU auch mal darauf, dass das undifferenzierte Stasi-Dauergezeter uns nicht weiterbringt im Land", sagte Platzeck.

Brandenburgs rot-rote Koalition, die am Wochenende 100 Tage regiert, hat sich vom Stasi-Debakel der ersten Wochen noch nicht erholt. An den Spitzen von SPD und Linkspartei leugnet keiner, dass nicht nur der Start, sondern auch die Wochen danach verstolpert wurden.

Unbeholfen und ratlos

Die Regierungsmannschaft agiert noch unbeholfen, Platzeck selbst wirkte oft eher ratlos als entschlossen, zuletzt auch dünnhäutig und gereizt. In die Kritik geriet auch eine Rede vor 250 Unternehmern, in der er sich über Leute mokierte, die ihm erzählen wollten, wie schlimm die Stasi war. "Wir haben inzwischen eine Schar von Revolutionswächtern, die gehen mir auf den Keks", sagte er da.

Über diese Pointe war nicht jeder glücklich in seiner Entourage, denn mit dem Wort Revolutionswächter verbindet sich das Bild prügelnder iranischer Geheimdienstleute. Mit denen wollten sich ehemalige DDR-Oppositionelle und Fürsprecher einer entschlossenen DDR-Aufarbeitung dann doch nicht vergleichen lassen.

Er stehe aber zu seiner Bemerkung, sagte Platzeck jetzt, und er habe es satt, sich über die Ideale der DDR-Bürgerbewegung belehren zu lassen. "Mit Leuten, die mir auf den Keks gehen, meinte ich diejenigen, die mir heute die friedliche Revolution erklären, aber 1989 weder Zeit noch Lust hatten, an den Demonstrationen teilzunehmen."

Das zielte vor allem auf den Fraktionschef der FDP im Landtag, Hans-Peter Goetz, der bis zur Wende in der SED war, aber zu den eifrigsten Widersachern von Rot-Rot zählt. Platzecks 100-Tage-Bilanz sei "verheerend", hieß es jetzt auch in der FDP, die Stasi-Enthüllungen hätten alles andere überlagert.

Auch Platzeck leugnet nicht, dass dadurch "sehr viel überschattet" wurde, will nun aber "Zukunftsfragen" stärker betonen, und verwies auf den Rückhalt von Rot-Rot bei den Brandenburgern.

"Unterirdischen Angriffe"

Nach einer aktuellen Umfrage von Infratest dimap stehen 80 Prozent von ihnen hinter Platzeck. 54 Prozent allerdings sind mit der Arbeit der neuen Regierung unzufrieden. Wenn sie heute wieder wählen sollten, würden 31 Prozent dennoch wieder die SPD wählen und 27 Prozent die Linke.

Das zeige, dass die "unterirdischen Angriffe", denen Platzeck in letzter Zeit ausgesetzt sei, von außen kämen, nicht von seinen Wählern, sagte SPD-Generalsekretär Klaus Ness. Rot-Rot werde auch nicht aus sachlichen Gründen kritisiert, sondern zum negativen Gegenentwurf der schwarz-gelben Bundesregierung hochstilisiert: "Der bundesrepublikanische Konservatismus hat ein neues Feindbild bekommen, das heißt Brandenburg."

Wir gegen des Rest der Republik, das ist das Grundgefühl, das aus solchen Sätzen spricht. Nun will man also Erfolge herausstellen, etwa dass es dem Kabinett gelungen sei, sich geräuschlos auf einen Haushaltsentwurf zu einigen. Nach zwei Jahren ohne neue Schulden soll der Brandenburger Etat für 2010 bei 10,5 Milliarden Euro liegen, das macht Kredite in Höhe von 650 Millionen Euro nötig.

SPD und Linke wollen 76 Millionen Euro zusätzlich in Bildung investieren, Kindertagesstätten sollen einen besseren Personalschlüssel und Schulen 450 neue Lehrer bekommen. 27 zusätzliche Millionen fließen in die Wirtschaftsförderung. Eine Einigung beim Schülerbafög steht noch aus, das gilt auch für einen Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen. Ein solider Haushalt sei das, sagte Platzeck, beim Schuldenmachen bleibe man unter den verfassungsmäßig festgelegten Obergrenzen und im Vergleich zu anderen Ländern im Mittelfeld.

Hahnenkämpfe in der Regierung

Eher zurückhaltend äußerte sich der Ministerpräsident zu den Hahnenkämpfen an seinem Kabinettstisch. Mit Finanzminister Helmut Markov komme er persönlich gut zurecht, sagte Platzeck nur. Der Finanzminister von der Linkspartei ist immer wieder mit seinem sozialdemokratischen Amtsvorgänger Rainer Speer aneinandergeraten. Speer ist inzwischen Innenminister und fuhr Markov in die Parade, als er - statt das knappe Geld zusammenzuhalten - noch mehr neue Lehrerstellen für Brandenburg ins Gespräch brachte.

In der Linkspartei müsse sich eben mancher noch daran gewöhnen, nicht mehr in der Opposition zu sitzen und vor dem Reden nachzudenken, heißt es in der SPD. Krach löste auch ein Rundschreiben des Finanzministers Markov aus, in dem er einen Jubiläumsbonus für altgediente Beamte ankündigte - also auch für ehemalige DDR-Richter oder Angehörige des Geheimdienstes. Die Idee stammte noch aus der Zeit der Vorgängerregierung, der Minister ließ sie erst zu - und musste sie nach Protesten wieder kassieren.

Dass für unangemessene Geschenke nichts übrig ist in der Landeskasse, ließ Innenminister Speer auch am Freitag wieder wissen. Trotz Protesten werden bei der Polizei bis 2020 etwa 1900 Stellen gestrichen. Jammern helfe nicht weiter, sagte Speer, andere Bundesländer schafften es schließlich auch, mit weniger Polizei für Sicherheit zu sorgen.

© SZ vom 13.2.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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