Pläne der Koalition:Scharfe Proteste gegen kürzeren Zivildienst

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Ärger um die geplante Verkürzung des Zivildienstes: Sozialverbände befürchten, Zivis nicht mehr sinnvoll einsetzen zu können. Besonders hart träfe es Rettungsdienste, aber auch Kliniken und Altenheime klagen. Auf Städte und Landkreise kommen erhebliche Mehrkosten zu.

Charlotte Frank u. Katja Riedel

Die deutschen Sozial- und Wohlfahrtsverbände stellen sich auf dramatische Entwicklungen durch die geplante Verkürzung des Zivildienstes ein. Die neue Bundesregierung plant, den Wehr- und damit auch den Zivildienst von neun auf sechs Monate zu reduzieren. Verbandsvertreter warnten am Montag, dies würde zu erheblichen Zusatzkosten und einer höheren Belastung für die Mitarbeiter im Sozialwesen führen.

Die neue Bundesregierung plant, den Zivildienst zu verkürzen: Die deutschen Sozial- und Wohlfahrtsverbände müssen sich deshalb auf dramatische Entwicklungen einstellen. (Foto: Foto: ddp)

Besonders hart dürfte die Umstellung die Rettungsdienste treffen, bei denen etwa 2000 der insgesamt 72412 Zivildienstleistenden im Einsatz sind. Dort rechnen die Verantwortlichen damit, künftig kaum noch mit Wehrdienstverweigerern arbeiten zu können. "Da die Ausbildung zum Rettungssanitäter allein drei Monate dauert, lohnt sich die Investition nicht mehr", sagte Gabriele Thivissen vom Deutschen Roten Kreuz Nordrhein. Auch andere Träger, die den Zivildienstleistenden anspruchsvolle soziale Tätigkeiten übertragen, stellen sich auf Schwierigkeiten ein: "Je verlässlicher ein System funktionieren muss, desto unwahrscheinlicher ist es, dass dort in Zukunft noch Zivildienstleistende eingesetzt werden können", sagte Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Schon seit Jahren müssen Sozialverbände mit sinkenden Zivildienstzahlen zurechtkommen. Das liegt zum einen daran, dass immer weniger Männer einberufen werden. Deshalb sind derzeit von etwa 111.000 Stellen nur noch etwa 72.000 besetzt. Zum anderen fällt die immer kürzere Zivildienstdauer ins Gewicht: Betrug sie bis 1990 noch 20 Monate, nahm sie seitdem kontinuierlich ab, zuletzt 2004 von zehn auf neun Monate. Bei einer weiteren Verkürzung aber sehen viele Verbände keine sinnvolle Einsatzmöglichkeit mehr für Zivildienstleistende. Im Rettungsdienst rechnet das Rote Kreuz sogar mit "einem Aus für den Zivildienst". Damit kämen auf Städte und Landkreise erhebliche Mehrkosten zu, denn auf sie ginge die Zuständigkeit für die Versorgung über.

Auch bei der Behindertenbetreuung, bei der etwa 1800 Wehrdienstverweigerer im Einsatz sind, wird es "dramatische Einbrüche geben", schätzt Robert Anstetter von der Lebenshilfe, dem größten Hilfsverein für geistig behinderte Menschen. Die kurze Arbeitszeit bedeute für die Behinderten, für die Kontinuität in der Betreuung besonders wichtig ist, zu viel Unruhe. "Ich weiß nicht, wie wir die Lücke finanziell und personell auffangen können", sagte Anstetter. Vor allem die Altenpflege steht vor Finanzproblemen: Ein Zivildienstleistender kostet jährlich etwa 6000 Euro; eine ebenfalls niedrig qualifizierte Pflegehilfskraft kostet bereits das Sechsfache.

In Kliniken ist deshalb durch die Verkürzung des Zivildienstes nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft mit einer Mehrbelastung des Personals zu rechnen. Derzeit übernehmen die etwa 10000 Zivildienstleistenden dort einfachste stationäre Aufgaben, aber selbst dafür würde sich bei einem sechsmonatigen Einsatz die Einarbeitung nicht rentieren, sagte Moritz Quiske von der Krankenhausgesellschaft. Schon jetzt sind die Kliniken und Sozialverbände deshalb auf junge Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr angewiesen. "Ohne diese Hilfen wird es eng", sagte Wolfgang Buff vom Diakonischen Werk, das mit fast 8000 die meisten Zivildienststellen in Deutschland anbietet. Er, wie auch sein Kollege von der Caritas, appelliert deshalb an die Politik, das beim Zivildienst eingesparte Geld für das Freiwillige Soziale Jahr einzusetzen.

© SZ vom 3.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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