Pkw-Maut:Wiener Wut

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Der Widerstand gegen das CSU-Prestigeprojekt ebbt nicht ab. Österreich berät mit zehn Ländern über Gegenschritte. Und auch deutsche Grenzregionen fordern Ausnahmen.

Von Markus Balser und Thomas Kirchner, Berlin/Brüssel

Was ein paar Kilometer auf der Autobahn kosten? Alexander Dobrindt wurde gerade erst wieder zur Kasse gebeten. Allein für einen Urlaub in den Bergen kämen 60 Euro zusammen, sagt der Verkehrsminister (CSU). Dass Deutsche in Italien, Österreich oder Frankreich auf Autobahnen zahlen müssen, in Deutschland aber umgekehrt freie Fahrt gilt, machte Dobrindt für die CSU vor fast vier Jahren zum Wahlkampfthema. "Diesen unfairen Zustand wollen wir ändern", schrieb die Partei damals in ihrem "Bayernplan". Das sei eine Frage der Gerechtigkeit.

Lange sah es so aus, als würde die Antwort darauf ein Phantom bleiben. Doch am Mittwoch brachte die Bundesregierung die Pkw-Maut nach einer Einigung im Streit mit der Europäischen Kommission endgültig auf den Weg. Das Kabinett beschloss die umstrittene Abgabe, die letztlich nur Fahrzeughalter aus dem Ausland mehr belasten soll. Zuvor hatte Dobrindt jahrelang zuerst mit Kritikern in der Union, dann mit denen des Koalitionspartners SPD gerungen. Und schließlich auch noch mit der EU-Kommission, die das, was man in Bayern Gerechtigkeit nannte, als Diskriminierung von Ausländern geißelte - und schließlich Änderungen durchboxte.

Die Einführung der Maut von 2019 an wird so immer wahrscheinlicher. Die Höhe der Abgabe soll sich dann aus der Schadstoffklasse, dem Hubraum und der Art des Motors (Diesel oder Benzin) ergeben. Der durchschnittliche Preis beträgt den Plänen zufolge für Deutsche 74 Euro, maximal soll die Jahresvignette 130 Euro kosten. Hiesige Autohalter sollen de facto nicht draufzahlen. Denn sie werden im Gegenzug in mindestens gleicher Höhe bei der Kfz-Steuer entlastet. Für Fahrzeuge aus dem Ausland werden jedoch für Zehn-Tagesvignetten 2,50 bis 25 Euro fällig, für zwei Monate sieben bis 50 Euro, für Jahresvignetten bis zu 130 Euro. Alle Einnahmen sollen zweckgebunden in eine bessere Infrastruktur fließen. "Damit vollziehen wir einen echten Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung", schwärmt Dobrindt.

Ob sich die Einführung für den Staat allerdings tatsächlich auszahlt, ist nach wie vor umstritten. Dobrindt rechnet mit Nettoeinnahmen von mehr als einer halben Milliarde Euro pro Jahr. Der ADAC dagegen zweifelt am finanziellen Nutzen des Projekts. Laufende Betriebskosten, Einmalkosten für den Start und die geplanten Entlastungen für Autos mit moderner Abgastechnik, fräßen die Gewinne wieder auf, warnt der Verein in einem aktuellen Brandbrief an Dobrindt und Finanzminister Wolfgang Schäuble. Am Ende könne der Bund sogar draufzahlen.

Immerhin: Ein weiteres Pickerl auf der Windschutzscheibe bleibt Autofahrern erspart, auch wenn die Maut kommt. Die Autobahnabgabe soll rein elektronisch entrichtet werden. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Dass die Maut kostet, fürchtet man inzwischen auch in deutschen Grenzregionen. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner dringt auf Sonderregeln. "Entlang der Grenzen müssen Autofahrer mautfrei unterwegs sein können", sagte die rheinland-pfälzische CDU-Chefin. Der kleine Grenzverkehr sei auf beiden Seiten der Grenze ein wichtiger wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Faktor. Ähnlich hatten sich zuvor schon Vertreter Schleswig-Holsteins und des Saarlandes geäußert. Doch Dobrindt lehnt Änderungen ab. Schließlich sei als Kompromiss bereits beschlossen, dass Fahrer aus dem Ausland nur auf Autobahnen, aber nicht auf Bundesstraßen Maut zahlen müssten. Auch international wächst der Widerstand. Österreich schmiedet an einer europaweiten Allianz gegen die deutsche Maut. Auf Wiener Initiative kamen am Mittwoch in Brüssel Vertreter aus zehn EU-Staaten zu einem Koordinierungstreffen zusammen. Seine Regierung halte die von der EU-Kommission gebilligte, geänderte Maut-Version für weiterhin europarechtswidrig, sagte der Wiener Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ): "Das Modell, das die CSU möchte, ist eine Ausländermaut, wo am Ende, wenn alles abgerechnet ist, Ausländer zahlen. Das ist diskriminierend und widerspricht dem europäischen Geist und dem europäischen Regelwerk." Auf Beamtenebene wollen die Staaten ihre Standpunkte festlegen und über mögliche rechtliche Schritte diskutieren. In letzter Konsequenz sei eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof denkbar. Die Stärke des Rechts dürfe nicht durch das Recht des Stärkeren ersetzt werden, forderte der Minister aus Österreich. Dobrindt sagte in Berlin, im Nachbarland wäre etwas mehr Gelassenheit angebracht. In Österreich gebe es seit 20 Jahren ein funktionierendes Mautsystem.

Die SPD hat sich bislang noch nicht festgelegt, ob sie die Maut unterstützt

Zur Anti-Maut-Allianz zählen neben direkten Nachbarn Deutschlands auch Länder wie Ungarn und Slowenien. Besonders kritisch zeigen sich die Niederlande. Sie haben angekündigt, eine Klage gegen die deutsche Maut zu unterstützen. Leichtfried traf am Mittwoch auch mehrere Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Sozialdemokraten und Liberale bereiten eine Resolution vor, die kritische Fragen an die Kommission zur Maut enthält. Außerdem soll Verkehrskommissarin Violeta Bulc demnächst ins Plenum zitiert werden.

Sicher ist die Maut-Einführung allerdings auch mit dem Kabinettsbeschluss noch nicht. Zwar hat der Bundestag das Mautgesetz bereits beschlossen. Wegen der nötigen Änderungen muss das Parlament in den nächsten Monaten jedoch erneut abstimmen. Der Ausgang eines neuen Votums ist offen, denn die SPD legt sich bislang nicht fest, ob sie das Projekt unterstützt. Es dürfe zu keiner Diskriminierung von ausländischen Autofahrern kommen, fordert SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Dabei drängt für Dobrindt die Zeit. Im Eilverfahren will er die Maut noch vor der Bundestagswahl durchs Parlament bringen.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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