Pflege:Helfer statt Pfleger

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Verbessern mehr Stellen die Situation in Altenheimen? Die Heime sollen dabei auch Hilfskräfte einsetzen dürfen, statt besser ausgebildete Fachkräfte. Kritiker werfen Gesundheitsminister Spahn deshalb "Augenwischerei" vor.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Mit seinem Programm gegen den Pflegenotstand übertraf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Versprechen des Koalitionsvertrags: Nicht 8000, sondern gleich 13 000 neue Stellen werde er in den Pflegeheimen der Republik schaffen, kündigte er an. Doch ein Kniff in seinem geplanten Gesetz könnte nun dazu führen, dass Altenheime mit den angekündigten Sondermitteln keine neuen Pflegerinnen und Pfleger einstellen werden, sondern bloß schlechter ausgebildete Hilfskräfte. Wenn Pflegeeinrichtungen trotz Stellenausschreibungen und Anfragen bei der Arbeitsagentur "nachweislich innerhalb eines Zeitraums von mehr als drei Monaten" keine neuen Fachkräfte finden, "ist ein Vergütungszuschlag auch für Pflegehilfskräfte zulässig", heißt es in der Antwort des Ministeriums auf eine Frage der Grünen. Allerdings dauert es laut Bundesagentur für Arbeit zurzeit im Schnitt 175 Tage, also mehr als fünf Monate, um eine offene Fachkraftstelle in der Altenpflege zu besetzen. Der Einsatz von Helfern käme deshalb wohl für die meisten Altenheime infrage. Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, wirft Spahn deshalb "Augenwischerei" vor.

Die Gewerkschaft Verdi befürchtet die Rekrutierung von Billiglöhnern

Mit dem neuen Passus im Gesetz sei "die Tür aufgemacht worden, um billig zusätzliche Hilfskräfte zu rekrutieren", kritisiert auch die Gesundheitsexpertin der Gewerkschaft Verdi, Grit Genster. Dabei fehlten in der Altenpflege keine Assistenten, sondern echte Fachkräfte, die anspruchsvolle medizinische Tätigkeiten ausüben können. Auch Spahn nimmt das Geld für die versprochenen Stellen aus den Töpfen der Krankenkassen und nicht, wie sonst, aus der Pflegeversicherung. Er hatte diesen ungewöhnlichen Schritt damit begründet, dass es sich bei der Arbeit um "medizinische Behandlungspflege" handele: Fachkräfte verabreichen zum Beispiel Medikamente oder verbinden Wunden. Pflegehilfskräfte sind dagegen zu solchen Dingen weder ausgebildet noch befugt.

Pflegehelfer oder Pflegeassistenten werden je nach Bundesland unterschiedlich ausgebildet. Ihre Schulungen sind kürzer als die der Fachkräfte und sie verdienen anschließend auch weniger. Aus dem Gesundheitsministerium heißt es, dass Heime trotzdem die sogenannte Fachkraftquote beachten müssen. In den meisten Bundesländern müssen mindestens die Hälfte der Mitarbeiter ausgebildete Altenpfleger sein.

Schulz-Asche warnt dennoch vor einer "weiteren Abwertung der Altenpflege" durch das Gesetz. Denn wenn Pflegeheime nach dreimonatiger Wartezeit vom Geld der Krankenkassen Hilfskräfte einstellen, könnten die Mittel verpuffen, ohne dass sich nachhaltig etwas am Pflegenotstand ändert. Schließlich können sie die Sondermittel nur einmal ausgeben. Und wenn ein Heimbetreiber erst Stellen mit Pflegehelfern besetzt hat, kann er, laut Ministerium, kein zweites Mal Unterstützung fordern, wenn er ein halbes Jahr später doch noch eine Fachkraft findet. Bundesweit fehlen jedoch gut qualifizierte Mitarbeiter in den Heimen.

Gesundheitsminister Spahn erwägt unterdessen auch an anderer Stelle Helfer statt Fachpersonal: Am Wochenende hat er angekündigt, mit Sozialverbänden über die "Vor- und Nachteile eines sozialen Dienstes für das Gesundheitswesen" diskutieren zu wollen.

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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