Peter Schaar:Datenschutzbeauftragter gegen Stärkung des Verfassungsschutzes

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"Wenn jemand blind ist, hilft nicht der Befehl zu sehen": Der Datenschutzbeauftragte Schaar spricht sich dagegen aus, dem Verfassungsschutz mehr Rechte zu gewähren. Auch strengere Gesetze könnten die notorische Geheimniskrämerei der Behörde nicht beenden.

Susanne Höll

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, warnt eindringlich davor, dem Verfassungsschutz nach den Ermittlungspannen in der Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) mehr Macht einzuräumen.

Eine Reform des Verfassungsschutzes sei zweifellos nötig, allerdings müssten zunächst die Ursachen für das Fehlverhalten des Inlandsgeheimdienstes geklärt werden, sagte Schaar der Süddeutschen Zeitung. "Die internen Strukturen der Dienste müssen geändert und verbessert werden, bevor man überhaupt daran denken kann, dem Verfassungsschutz mehr Befugnisse zu geben." Einige der Reformvorschläge "scheinen mir voreilig und mit heißer Nadel genäht", sagte Schaar.

Die Innenminister von Bund und Ländern wollen am 28. August auf einer Sonderkonferenz über den Umbau der Dienste beraten. Entscheidungen werden nicht erwartet. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und auch die Bundes-SPD wollen die Rolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) gegenüber den 16 Länderbehörden stärken. Die Länder sind in diesem Punkt reservierter, möchten ihrerseits mehr Daten sammeln, speichern und länger aufbewahren können. Grundsätzlich herrscht Einigkeit darüber, dass auch die parlamentarische Kontrolle der Dienste verbessert werden soll, im Detail gehen die Meinungen noch auseinander.

Schaar sagte mit Blick auf den Verfassungsschutz, ihm leuchte nicht ein, weshalb "eine Konsequenz der gravierenden Fehlleistungen darin bestehen soll, ihm noch mehr Kompetenzen zu geben". Auch bezweifelte er, dass strengere, vielleicht sogar gesetzliche Regeln zum besseren Informationsaustausch die notorische Geheimniskrämerei im Verfassungsschutz beenden und neue Pannen bei der Extremismusbekämpfung verhindern würden. Schon jetzt gebe es weitreichende Befugnisse zum Informationsaustausch, von denen die Dienste aber offenbar keinen Gebrauch gemacht hätten. "Wenn jemand blind ist, hilft es nichts, wenn man ihm befiehlt, zu sehen", sagte Schaar.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte regte an, auch einen grundlegenden Umbau des Inlandsgeheimdienstes zu prüfen, bis hin zur Auflösung und kompletten Neuaufstellung. Alle Nachrichtendienste hätten quasi naturgegeben die Tendenz, sich zu verselbstständigen und öffentlicher Kontrolle zu entziehen. Die Arbeitsstrukturen müssten deshalb permanent überprüft werden.

"Manchmal ist es gut, verkrustete Strukturen ganz aufzubrechen und mit frischem Personal neu zu starten", sagte Schaar. Er erinnerte daran, dass der Berliner Landesverfassungsschutz nach Skandalen vor mehr als 20 Jahren als eigene Behörde aufgelöst und neu aufgestellt wurde. "Ich fordere jetzt keine komplette Neuorganisation des Verfassungsschutzes. Aber man sollte über eine solche Möglichkeit nachdenken", sagte er.

Dem Bundesamt für Verfassungsschutz stellte Schaar kein insgesamt schlechtes Zeugnis beim Datenschutz aus: "Ich kann nicht sagen, dass generell Missbrauch getrieben wird." Er bezweifelte aber, ob die Mitarbeiter mit den Vorschriften vertraut seien. "Mit großen Erstaunen" habe er Darstellungen des BfV zur Kenntnis genommen, wonach sich die dubiose Schredderaktion von Akten über Rechtsextremisten sich möglicherweise mit Datenschutzgründen erkläre.

Die aktuellen Löschungsfristen von maximal zehn Jahren beträfen nur elektronische Dateien, nicht aber Akten. Forderungen aus dem Kreis der Landesinnenminister, Löschungsfristen zu verlängern, lehnte Schaar ab. Er halte sehr wenig von Fristverlängerungen für sensible Daten. Wenn nötig, etwa bei einem neuen Sachstand, könnten die Daten länger aufbewahrt werden.

© SZ vom 25.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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