Pauline Marois im Porträt:Die Frau, die Québec in die Unabhängigkeit führen will

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"Wir wollen ein eigenes Land": Pauline Marois ist neue Premierministerin von Québec, der größten französischsprachigen Provinz Kanadas. Die Loslösung ihrer Heimat von Kanada ist Marois erklärtes Ziel - davon lässt sie sich auch von wild um sich schießenden Querulanten nicht abbringen.

Reymer Klüver

Nur Augenblicke scheiden mitunter Triumph und Tragödie. So hat es am Dienstagabend nach ihrem Wahlsieg Pauline Marois erfahren müssen, die Chefin der frankofonen Separatistenpartei Parti Québécois (PQ) und künftige Premierministerin von Québec, der größten und einzigen französischsprachigen Provinz Kanadas.

Will Québec in die Unabhängigkeit führen: Permierministerin Pauline Marois. (Foto: AFP)

Mitten in der Rede, in der sie die Rückkehr ihrer Partei an die Macht nach neun langen Jahren in der Opposition feierte, sprangen plötzlich Mitarbeiter an ihre Seite und zerrten sie mit den Worten von der Bühne: "Kommen Sie mit uns, Madame!" Hinter der Konzerthalle in Montreal, in der Pauline Marois sprach, hatte gerade ein in Shorts und Bademantel gekleideter Mann wild um sich geschossen und auf Französisch mit starkem Akzent gerufen: "Die Engländer wachen auf." Ein Parteigänger der Separatisten starb, ein weiterer überlebte verletzt.

Doch Pauline Marois ist eine resolute Frau. Und so kehrte sie nach kurzer Zeit zurück und setzte ihre Ansprache fort. "Als Nation wollen wir die Entscheidungen selbst treffen", rief sie ihren Anhängern zu. "Wir wollen ein eigenes Land. Und wir werden es haben." Die 63-Jährige ist entschlossen, nicht nur als erste Frau an der Spitze der Provinz in die Geschichte einzugehen, sondern als die Frau, die Québec in die Unabhängigkeit führt.

Droht Kanada also ein neuer, erbitterter Kampf um die Loslösung der Provinz wie zuletzt Mitte der Neunzigerjahre, als ein Referendum äußerst knapp scheiterte? Am Wahlabend selbst ließ Marois keinen Zweifel an ihren Absichten, versuchte aber zugleich ihre englischsprachigen Landsleute zu beruhigen: "Ihre Rechte bleiben vollkommen gewahrt. Wir werden verantwortungsbewusst regieren."

Marois stammt aus einfachen Verhältnissen. Noch heute erinnert sie sich an die katholische Schule in Québec City Anfang der Sechzigerjahre, wo sie wegen ihrer billigen Schuhe auffiel. Vielleicht kommt daher ihre Vorliebe für ausgefallenes Schuhwerk - das sie sich inzwischen leisten kann: Die Mutter von vier Kindern ist mit einem schwerreichen Immobilienmakler verheiratet. Mitunter, so gibt die durchsetzungsstarke Frau zu verstehen, könne sie ihre Schuhe auch anders einsetzen: "Wissen Sie", sagte sie im Wahlkampf, "Leuten mit runden Stiefeln in den Hintern zu treten, ist schon gut. Aber mit spitzen Schuhen geht es noch besser." Solche Sprüche kommen an.

Nach einem Betriebswirtschaftsstudium war Marois zunächst als Sozialarbeiterin tätig, dann aber sehr rasch in die Politik gegangen. Sie diente in verschiedenen Ministerbüros, ehe sie 1981 für die PQ ein Abgeordnetenmandat errang und selbst Ministerin wurde. Nur vier Jahre später versuchte sie vergeblich, den Vorsitz der Partei zu erlangen. Das schaffte sie erst im dritten Anlauf 2007. Ihre Ausdauer hat viele beeindruckt. Sie wird dieses Stehvermögen nun im Kampf um Québecs Unabhängigkeit beweisen müssen.

© SZ vom 06.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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