Patientenverfügung:Ein letzer Gefallen

Der Fall des Wachkoma-Patienten Vincent Lambert in Frankreich zeigt, wie wichtig Patientenverfügungen sind. Denn sonst bleiben die Angehörigen mit der Unsicherheit zurück, was ein geliebter Mensch am Ende wollen könnte - und zerbrechen daran.

Von Michaela Schwinn

Seine Frau will, dass Vincent Lambert stirbt. Seine Eltern wollen, dass er lebt. Was er selbst will, weiß keiner. Denn seit einem Motorradunfall vor etwa zehn Jahren liegt der Franzose im Koma, Patientenverfügung gibt es keine. Fast genauso lange dauert der Streit, den beide Seiten durch alle Instanzen ausfechten. Leben, sterben, leben, sterben und nun wieder leben - für Außenstehende mag das jahrelange Hin und Her grotesk wirken. Und ja, der Fall Lambert ist ein außergewöhnlicher Fall, aber er ist kein Einzelfall.

Diese Unsicherheit, was ein geliebter Mensch am Ende wollen könnte, erleben Angehörige jeden Tag. Den meisten dürfte es dabei nicht anders gehen als der Familie von Vincent Lambert. Wenn es keine Patientenverfügung gibt, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als den Willen zu erahnen, als ihre eigenen Wünsche und Gefühle auf den Kranken zu übertragen.

Es ist das eigene Leben, der eigene Tod und somit auch der eigene Entschluss, eine Patientenverfügung oder Vollmacht auszufüllen oder eben nicht. Das wissen zwar viele - und verdrängen den unangenehmen Gedanken schnell wieder: Nicht heute, vielleicht ein andermal. Aber dass sie ihre Entscheidung damit auf Angehörige, Ärzte und Juristen abschieben, dass Menschen daran kaputtgehen und Familien zerbrechen, daran denken die wenigsten.

© SZ vom 22.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: