Parteien:Porträts: Die neue SPD-Spitze

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Leipzig (dpa) - Die SPD hat auf ihrem Bundesparteitag in Leipzig ihre Parteispitze gewählt. Es gibt nur eine Veränderung: Nach dem Verzicht von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit rückt Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel in die Parteiführung nach.

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Leipzig (dpa) - Die SPD hat auf ihrem Bundesparteitag in Leipzig ihre Parteispitze gewählt. Es gibt nur eine Veränderung: Nach dem Verzicht von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit rückt Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel in die Parteiführung nach.

Parteivorsitzender:

SIGMAR GABRIEL (54): 2009 wurde er zum jüngsten Parteichef seit Willy Brandt gewählt. Vier Jahre später ist er unangefochten, trotz des zweitschlechtesten SPD-Ergebnisses bei einer Bundestagswahl. Hat sich von 2005 bis 2009 als Umweltminister Ansehen erworben. Gilt als politisches Naturtalent, begabter Redner - mit Hang zum Überdrehen. Bisweilen launisch, derzeit in der neuen Rolle des bedächtigen Moderators beim schwierigen Entscheidungsprozess zum Eintritt der SPD in eine große Koalition. Der gelernte Lehrer aus Goslar ist seit 1977 SPD-Mitglied, war mit 40 Jahren in Niedersachsen jüngster deutscher Ministerpräsident (1999-2003). Nach der Abwahl wurde er bespöttelter SPD-Popbeauftragter (Siggi Pop). Er hat zwei Töchter und ist verheiratet mit einer Zahnärztin.

Generalsekretärin:

ANDREA NAHLES (43): Die frühere Juso-Chefin gilt längst nicht mehr als Parteilinke. 2005 sorgte die Literaturwissenschaftlerin für einen Eklat, als sie gegen den Willen von Franz Müntefering schon mal zur Generalsekretärin gewählt wurde, der deshalb seinen Rückzug als SPD-Chef erklärte - Nahles verzichtete daraufhin auch. Wurde später SPD-Vize, seit 2009 Generalsekretärin. Spult in diesem Jahr ein Mammutprogramm ab - hat erst den Wahlkampf organisiert, nun die Steuerung der Koalitionsverhandlungen. Dazu bereitet sie noch den Mitgliederentscheid zur großen Koalition vor. Die Freundin schnellen Autofahrens hat derzeit wenig Zeit für ihre kleine Tochter Ella Maria und ihren Mann daheim auf einem Hof in der Eifel. „Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so zufrieden“, sagte sie nach ihrer Elternzeit, ihre kleine Tochter mache sie gelassener.

Die fünf Stellvertreter:

MANUELA SCHWESIG (39): „Gesicht“ der ostdeutschen SPD. Erst seit 2003 in der Partei, legte dort eine Blitzkarriere hin. Die gebürtige Brandenburgerin studierte Steuerrecht und folgte ihrem Mann nach Schwerin. Mutter eines Sohnes. 2002 bis 2008 im Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommerns tätig, seit 2008 Sozialministerin. Prägt seit Jahren die Familien- und Sozialpolitik der SPD, auch jetzt federführend an den Koalitionsverhandlungen beteiligt. „Familien sind heute so bunt, wie das Leben und können nicht mehr auf das klassische Mutter-Vater-Kind-Modell reduziert werden“, sagt sie. Kämpft für Frauenquoten und gleiche Bezahlung von Mann und Frau. Gilt als mögliche Kandidatin für das Bundeskabinett. Wirkt sehr diszipliniert, unbedachte Äußerungen sind ihr kaum zu entlocken.

HANNELORE KRAFT (52): Die Tochter eines Schuhmachers und einer Schaffnerin ist ein Kind des Ruhrgebiets, Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen seit 2010. 2002 bis 2005 Bildungsministerin, seit 2007 Landeschefin. Die gelernte Bankkauffrau und studierte Wirtschaftswissenschaftlerin sieht sich selbst als Pragmatikerin. Wertete eine große Koalition zunächst skeptisch, geriet im Sondierungsgespräch mit CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt lautstark aneinander, versöhnte sich anschließend auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft wieder mit ihm. Wehrt sich gegen das Image einer Kohlelobbyistin, rang mit Bundesumweltminister Peter Altmaier erfolgreich um ein Paket für eine bessere Gestaltung der Energiewende. Gilt als straffe, strenge Organisatorin, fremdelt bisweilen mit dem Berliner Politikbetrieb.

OLAF SCHOLZ (55): Der Anwalt für Arbeitsrecht trat 1975 ein und hat viele Stationen durchlaufen. Schaffte den größten Erfolg der letzten Jahre: In Hamburg errang die SPD 2011 die absolute Mehrheit, er wurde Erster Bürgermeister der Hansestadt. Wirbt für eine Schärfung des wirtschaftsliberalen Profils. Bis hin zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird seine Kompetenz und Sachlichkeit geschätzt. Vorbei sind die Zeiten, wo er für sein „Funktionärssprech“ kritisiert wurde, als SPD-Generalsekretär (2002-2004) bekam er dafür den Namen „Scholzomat“ verpasst. War Bundesarbeitsminister (2007-2009). Mit Kurzarbeiterregelungen trug er dazu bei, den Konjunktureinbruch in Folge der Finanzkrise zu überbrücken. Verheiratet mit einer Mitarbeiterin der SPD-Fraktion.

THORSTEN SCHÄFER-GÜMBEL (44): Vor fünf Jahren war er nach dem Debakel mit Andrea Ypsilanti in Hessen noch der Notnagel, heute ist er unangefochten und hat die hessische SPD wieder aufgerichtet. Politisch ist der einst linke „TSG“ pragmatischer geworden, sein Schwerpunkt ist die Finanz-, Wirtschafts- und Energiepolitik. Der Sohn eines Lastwagenfahrers und einer Putzhilfe stammt gebürtig aus Oberstdorf, seine Familie zog in seiner Kindheit nach Gießen. Der Bayern-München-Fan ist mit einer Historikerin verheiratet und hat drei Kinder. 1986 trat der Politikwissenschaftler in die SPD ein, seit 2003 sitzt er im Hessen-Landtag. „Ungerechtigkeiten aller Art treiben mich an, Politik zu machen“, sagt er zu seiner Motivation.

Aydan Özoguz (46): Erste stellvertretende Parteivorsitzende der SPD mit türkischen Wurzeln, ist aber seit ihrer ersten Wahl 2011 nur wenig öffentlich in Erscheinung getreten. Die Hamburgerin hat harte Lehrjahre in der Politik hinter sich. „Es war eine bedrückende Zeit“, berichtete sie über ihre Anfangszeit als Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft zu Zeiten des Rechtspopulisten Ronald Schill. Sie habe damals rassistische Briefe bekommen, so die Tochter türkischer Kaufleute. Ihr Schwerpunkt ist die Integrationspolitik. Die studierte Anglistin Özoguz ist mit dem Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD) verheiratet und hat eine Tochter. Seit 2009 sitzt sie im Bundestag.

Schatzmeisterin:

BARBARA HENDRICKS (61): Wacht über die Finanzen der Partei, oft unterschätzt, viel Expertise im Umgang mit Geld. Muss 2013 für Wahlkampf, 150-Jahr-Jubiläum und Mitgliederentscheid über die große Koalition wohl mehr als 26 Millionen Euro locker machen. Schatzmeisterin seit 2007, Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium 1998 bis 2007. Seit 1994 im Bundestag. Hendricks hat Geschichte und Sozialwissenschaften studiert, Staatsexamen für das Lehramt. Hendricks liebt ihre Heimat, den Niederrhein. Sie promovierte über „Die Entwicklung der Margarine-Industrie am unteren Niederrhein“. Seit 1989 ist Hendricks Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Kleve.

Beauftragter des SPD-Parteivorstandes für die Europäische Union:

MARTIN SCHULZ (57): Seit 2012 Präsident des Europaparlaments, würde gerne neuer EU-Kommissionspräsident. Setzt sich vehement für den Einigungsprozess ein. Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Parteien Europas für die Europawahl im Mai 2014. Seine souveräne Reaktion im Europaparlament auf einen Nazi-Vergleich von Silvio Berlusconi brachte Schulz 2003 europaweit in die Schlagzeilen. Der damalige italienische Ministerpräsident hatte erklärt, Schulz könne in einem Film über Konzentrationslager gut den Aufseher spielen. Der gelernte Buchhändler sitzt seit 1994 im Europaparlament - in den Koalitionsverhandlungen verhandelt er das Europathema für die SPD, gilt als einer der profiliertesten Außenpolitiker seiner Partei.

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