Parteien:Porträt: Sigmar Gabriel - bald Vizekanzler?

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Berlin (dpa) - Sigmar Gabriel ist in einer ungewohnten Rolle: Plötzlich bekommt der SPD-Chef für sein Agieren Lob auch von ungewohnter Seite, etwa von führenden Unionspolitikern.

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Berlin (dpa) - Sigmar Gabriel ist in einer ungewohnten Rolle: Plötzlich bekommt der SPD-Chef für sein Agieren Lob auch von ungewohnter Seite, etwa von führenden Unionspolitikern.

Aber an der SPD-Basis sind sie nicht eben begeistert von der Aussicht auf eine große Koalition. Das bekommt er am Donnerstag auch beim Parteitag in Leipzig zu spüren. Die Wiederwahl mit 83,6 Prozent Zustimmung ist sein bisher schlechtestes Ergebnis. Das zeigt Gabriels schmalen Grat.

Er versucht die Partei mitzunehmen beim schwierigen Prozess, an dessen Ende seine SPD möglicherweise Juniorpartner in einer schwarz-roten Regierung wird. Er setzte den Mitgliederentscheid am Ende durch und stützt die künftige Öffnung für Rot-Rot-Grün. Gabriel ist gerade in der Rolle des nachdenklichen Moderators und versucht, das ihm anhaftende Stigma des unsicheren Kantonisten loszuwerden.

Im Wahlkampf sorgte er mit Vorstößen etwa zum Tempolimit auf Autobahnen für Unmut. Und der Kanzlerkandidat Peer Steinbrück war seine Erfindung. Noch vor Wochen machten Gerüchte über einen möglichen „Putsch“ in der SPD die Runde, nun ist er plötzlich ein Anwärter auf den Posten des Vizekanzlers. Wenn er die SPD von der Sinnhaftigkeit einer großen Koalition überzeugen kann. Dabei hatte er zu seinem 50. Geburtstag noch als Lebenstraum ausgegeben, mal Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Goslar zu werden. Gabriel gilt als politisches Naturtalent, unter Druck ist er besonders stark.

Der 54-Jährige kennt das Auf und Ab in der Politik - auch selbst neigt er zur Launenhaftigkeit, starken Phasen folgen mitunter schwache. In seiner Kindheit lebte Gabriel getrennt von seiner Mutter, beim herrischen Vater, einem überzeugten Nazi. Als er einmal mit einer schlechten Note nach Hause kam, sammelte der Vater das Spielzeug ein und gab es einem Kindergarten. Erst nach langem Tauziehen durfte er bei seiner Mutter leben. 1977 trat er in die SPD ein. „Wir sahen damals die SPD durchaus kritisch, aber es war die einzige Partei, die sich überhaupt mit uns auseinandersetzte“, sagt er. Gabriel wurde Berufsschullehrer, bevor er in die Politik ging.

Mit 40 Jahren wurde der Niedersachse zwar Ende 1999 Deutschlands jüngster Ministerpräsident, Anfang 2003 jagten ihn die Wähler aber schon wieder aus dem Amt. Sein Wahlkampf gegen die Bundespolitik von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) scheiterte grandios. In Berlin brachte es der gewichtige Sozi zunächst nur zum bespöttelten Pop-Beauftragten (Siggi Pop) seiner Partei.

2005 feierte er als Bundesumweltminister ein Comeback - bis heute gehört er auf diesem Feld zu den profiliertesten Politikern. In der Zeit lernte er auch seine heutige Frau Anke kennen, mit der er eine kleine Tochter hat: Die Zahnärztin aus Magdeburg half Gabriel bei akuten Zahnschmerzen.

Sein Einsatz gegen die von Union und FDP angekündigte Atom-Laufzeitverlängerung machte ihn zum einzigen Gewinner des SPD-Wahlkampfes 2009 - die Partei stürzte auf 23 Prozent ab. Gabriel wurde Nachfolger von Franz Müntefering. Er einte die Partei nach dem Wahldebakel, stärkte die innerparteiliche Mitbestimmung, erstmals konnten sich die Bürger am SPD-Wahlprogramm 2013 beteiligen.

Das Vertrauensverhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU) trübte sich zu Oppositionszeiten 2010 ein, als ein SMS-Wechsel publik wurde. Doch das ist heute vergessen, derzeit scheint die Chemie zu stimmen. Wegen seiner Expertise im Energiebereich gilt er im Falle einer großen Koalition als Kandidat für ein Wirtschafts- und Energiesuperministerium. Das wäre dann Gabriels wahre Bewährungsprobe: Die hohen Strompreise sind kein Gewinnerthema.

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