Parteien:Forscher: Regierungsbildungen im Osten werden schwieriger

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Momentaufnahme oder mehr? Viele Menschen sind derzeit unzufrieden mit der Politik. Das wird auch in einer aktuellen Umfrage in Sachsen deutlich. Die Parteien müssen nun ihre Schlüssen ziehen. Denn im kommenden Jahr stehen Wahlen an.

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Leipzig (dpa/sn) - In den ostdeutschen Ländern wird eine Regierungsbildung nach Ansicht des Leipziger Politikwissenschaftlers Hendrik Träger künftig immer schwieriger. Er macht das unter anderem an der relativen Schwäche der SPD, der Grünen und der FDP fest. Nach einer aktuellen Wahlumfrage in Sachsen kommen diese drei Parteien nur auf Werte nahe der Fünf-Prozent-Hürde.

„Bei statistischen Erhebungen gibt es einen Toleranzbereich von bis zu zwei Prozentpunkten. Wir könnten in einem Jahr in Sachsen die Situation haben, dass nur noch CDU, AfD und Linke im Parlament sitzen. Dann gäbe es faktisch eine Unregierbarkeit, weil die CDU weder mit der AfD noch den Linken koalieren will“, sagte Träger am Freitag der Deutschen Presse-Agentur und verwies auf die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der CDU-Bundespartei.

Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Insa liegt die AfD ein Jahr vor der Landtagswahl in Sachsen mit 35 Prozent klar vorn. Die CDU kommt auf 29 Prozent. Dahinter rangieren Linke (9 Prozent), SPD (7 Prozent), Grüne (6 Prozent) und FDP (5 Prozent). Die aktuelle Koalition aus CDU, Grünen und SPD hätte keine Mehrheit.

Träger sieht für das Ergebnis mehrere Gründe: „Der Hauptgrund ist, dass die AfD bundesweit Rekordwerte erreicht. Die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung schlägt sich auch in den Wahlabsichten hinsichtlich der AfD nieder - in Sachsen in deutlich stärkerem Maße als das in anderen Bundesländern der Fall ist.“ Von der Unzufriedenheit profitiere am meisten die AfD.

Aber auch die Wahrnehmung der sächsischen Landespolitik spiele eine Rolle, sagte der Wissenschaftler. Die Kenia-Koalition regiere nicht völlig geräuschlos. „Alles andere wäre für ein Drei-Parteien-Bündnis auch äußert ungewöhnlich. Denn bei drei Parteien gibt es viel mehr Reibungspunkte und inhaltliche Differenzen als bei einer Zweier- Konstellation. Das Problem, dass es auf der Bundesebene mit der Ampel- Koalition gibt, existiert gleichfalls bei dem Bündnis in Sachsen - wenn auch in abgeschwächter Form. Die Kenia-Koalition war für alle Beteiligten keine Liebesheirat, sondern eine Zwangsehe, weil es aus Sicht der Parteien keine andere Lösung gab.“ „Eine Landesregierung kann sich in der Ebene abmühen wie sie möchte, wenn die Bundesregierung als negativ wahrgenommen wird, ist das alles umsonst“, sagte Träger. Hinzu komme der Umstand, dass viele Menschen nicht ausreichend über die Landespolitik informiert seien, weil sie nur überregionale Nachrichten konsumierten. „Die Tagesschau kann in ihrer Sendezeit nicht über die Politik in 16 Bundesländern berichten. Die Landespolitik wird von der Bevölkerung nicht mehr so stark wahrgenommen, weil sie von der Bundespolitik überlagert wird.“

Träger zufolge sollte die Koalition in Sachsen sich jetzt bemühen, so geräuschlos wie möglich zu agieren. „Die Kenia-Koalition müsste stärker an einem Strang ziehen und auf gegenseitige Schuldzuweisungen verzichten.“ SPD und Grüne sollten versuchen, über ihre Landesverbände Einfluss auf die Bundesparteien zu nehmen und ein geschlossenes Auftreten der Bundesregierung anzumahnen.

Viel werde davon abhängen, welche Themen in der Wahlkampfzeit im Sommer 2024 relevant seien. Wenn es etwa um Migration oder Asylpolitik gehe, habe die Bundespolitik einen deutliche stärkeren Einfluss als das bei klassischen Landesthemen wie Bildung oder Polizei der Fall wäre.

Träger hatte im Juni mit seiner Kollegin Celine Matthies in einer Fachzeitschrift einen Beitrag unter dem Titel „'Unregierbarkeit' nach den ostdeutschen Landtagswahlen 2024?“ verfasst. Darin werteten die beiden sämtliche Wahlumfragen seit den Landtagswahlen 2019 aus. „Seither hätte es relativ selten eine einfache Regierungsbildung gegeben, am ehesten noch in Brandenburg. Am schwierigsten ist es in Thüringen. Die Situation, die wir jetzt in der Umfrage sehen, ist nicht nur eine Momentaufnahme. Die Regierungsbildungen werden schwierig. Das ist ein Trend, der sich seit vier Jahren verstärkt hat.“

© dpa-infocom, dpa:230901-99-38370/3

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