Parteien:Analyse: Wie werden neue Löcher bei Gesundheit gestopft?

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Berlin (dpa) - Noch ist das Problem nicht da, aber Union und SPD haben es ziemlich klar vor Augen: Millionen Versicherte werden in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode wohl teils deutlich mehr für ihre Krankenkassen zahlen müssen.

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Berlin (dpa) - Noch ist das Problem nicht da, aber Union und SPD haben es ziemlich klar vor Augen: Millionen Versicherte werden in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode wohl teils deutlich mehr für ihre Krankenkassen zahlen müssen.

Wegen jährlich rund vierprozentiger Mehrkosten für Kliniken, Arzneimittel und Ärzte dürfe der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach offiziellen Schätzungen 2015 rund drei, im Jahr darauf rund sechs und 2017 mehr als zehn Milliarden Euro fehlen. Die Frage, wie das Loch gestopft werden soll, entzweit Schwarze und Rote in der Endphase ihrer Verhandlungen.

SPD-Verhandlungsführer Karl Lauterbach wartet mit einem ungemütlichen Szenario auf: 30 Euro Zusatzbeitrag würden einige Kassen in drei, vier Jahren wohl monatlich verlangen. „Diese Krankenkassen würden entweder in die Insolvenz gehen oder sie müssten notfusioniert werden.“ Also müssten die Zusatzbeiträge weg. Das klingt nach harter Gangart - der SPD-Gesundheitsexperte beansprucht für sich: Ihm geht es um die kleinen Rentner mit Geldsorgen, um soziale Balance, um sozialdemokratische Kernanliegen.

Aufschläge zulasten der Versicherten waren fast schon kein Thema mehr. 27,7 Milliarden Euro Reserven hatte die GKV zum ersten Halbjahr noch an Reserven. Doch der Finanzdruck steigt, und verdeckte Gräben zwischen Union und FDP werden wieder frei. In der Union werden die Zusatzbeiträge als perfektes Mittel betrachtet: Die Kassen sind im Dauersparzwang - und die Wirtschaft wird geschützt. „Wir halten das für das richtige Finanzierungsinstrument, weil es steigende Gesundheitskosten entkoppelt vom Arbeitsmarkt“, sagt CDU-Verhandlungsführer Jens Spahn. Die SPD meint, die Kassen gäben seither auch für gute Sachen zu wenig Geld aus.

Eingeführt wurden die Aufschläge unter SPD-Ministerin Ulla Schmidt als Erfindung der großen Koalition. Veränderungen des Konstrukts verbuchte dann FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler als seinen Erfolg: Eine Obergrenze für die Pauschale entfiel, ein Sozialausgleich aus Steuermitteln wurde eingeführt, aber die Regeln sind kompliziert - erprobt ist der Ausgleich bisher nicht.

Die Zusatzbeiträge sind seit ihrem Praxistest aber gefürchtet. Sommer 2011: Damals ging die kleine City BKK bankrott. Grund: Akute Geldnot, Zusatzbeiträge hatten Versicherte reihenweise in die Flucht geschlagen. Wider alle Vorschriften ließ die Konkurrenz die ungeliebten Versicherten der Pleitekasse zunächst auflaufen, statt sie zu aufzunehmen. Für Lauterbach sind Zusatzbeiträge Teufelszeug. „Das ist der Einstieg in ein System der Kopfpauschalen.“

Es sind keine dramatischen, keine lauten, eher zermürbende Verhandlungen zu Gesundheit im luftigen Paul-Löbe-Haus des Bundestags. Die Politiker der Arbeitsgruppe sitzen nicht nur in ihrem kreisrunden Verhandlungssaal. Lauterbach und Spahn versinken immer wieder lange im Vier-Augen-Gespräch in den wenig bequemen Ledersofas im Foyer. Dann sausen gläserne Aufzüge hoch und runter, die roten und schwarzen Verhandler verschwinden zu getrennten Runden. Ergebnisse? Fehlanzeige, meint eine SPD-Frau frustriert.

Immer klarer wird von Runde zu Runde: Über die großen Finanzfragen bei Gesundheit entscheiden am Ende wohl die Parteichefs. Die SPD will, dass die Zusatzbeiträge nicht mehr als fester Eurobetrag pro Monat erhoben werden. Würden die Kassen in unterschiedlichen Prozentsätzen statt pauschal nach oben gehen können, müssten Geringverdiener weniger zahlen - und der Sozialausgleich wäre überflüssig. Doch Kassen mit vielen Geringverdienern könnten dann schnell Probleme bekommen, so das nötige Geld hereinzubekommen. Und ungelöst ist auch noch die Kernfrage: Bleiben die Arbeitgeber außen vor bei der Finanzierung von Kostensteigerungen?

Union und SPD reden über ein Koppelgeschäft: Zusatzbeiträge in heutiger Form weg - die von der Union gewollte Kapitalreserve in der Pflegeversicherung her. Noch nichts gesagt wäre dann, wie das Kunststück gelingen soll, in der Pflege zugleich mehr Pfleger, mehr und höhere Leistungen zu bezahlen. Der Pflegebeitrag soll steigen, aber höchstens um 0,5 Prozent. Das bringt etwa fünf Milliarden.

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