Parteien:Analyse: Die SPD sagt Ja zur «GroKo»

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Berlin (dpa) - Um 14.40 Uhr schreiten die 400 Helfer nach vorne zur Bühne. Sie klatschen, es gibt La-Ola-Wellen. Die aus ganz Deutschland angereisten SPD-Mitglieder haben stundenlang ziemlich viele Ja-Stimmen zur GroKo gezählt. Dann gibt es hinten Bewegung.

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Berlin (dpa) - Um 14.40 Uhr schreiten die 400 Helfer nach vorne zur Bühne. Sie klatschen, es gibt La-Ola-Wellen. Die aus ganz Deutschland angereisten SPD-Mitglieder haben stundenlang ziemlich viele Ja-Stimmen zur GroKo gezählt. Dann gibt es hinten Bewegung.

14.46 Uhr: Es ertönen „Sigmar, Sigmar“-Sprechchöre. Eingerahmt von der SPD-Spitze schreitet Parteichef Sigmar Gabriel durch das Spalier der Helfer in einem früheren Postbahnhof in Berlin. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft klatscht einige Genossen ab, SPD-Vize Manuela Schwesig reckt die Daumen hoch.

14.47 Uhr: Es wird ruhig. Gabriel geht ans Mikrofon, redet vom „Fest innerparteilicher Demokratie“, vom Vorbild für andere Parteien. Getreu Willy Brandts Worten habe die SPD mit der Befragung der Mitglieder zur großen Koalition mehr Demokratie gewagt. „Eigentlich ein schönes Geburtstagsgeschenk für die SPD und für Willy Brandt“, sagt er. Der erste SPD-Kanzler nach dem Krieg wäre Mittwoch 100 geworden. Dann gibt er das Wort an die Dame zu seiner Linken ab.

14.57 Uhr: Schatzmeisterin Barbara Hendricks ergreift als Vorsitzende der Mandatsprüfungs- und Zählkommission (MPZK) das Wort. 369 680 Stimmen seien abgegeben worden, wegen vieler vergessener eidesstattlicher Erklärungen seien aber nur 337 880 Stimmen bei der Abstimmung der SPD-Mitglieder über die große Koalition gültig. Donnernder Applaus für die Beteiligung von 77,86 Prozent.

14.59 Uhr: Jetzt ist es raus, die Bundesrepublik bekommt die dritte große Koalition nach 1966 und 2005. Im Stile einer Buchhalterin verkündet Hendricks, die Umweltministerin werden soll: Es gibt 256 643 Ja-Stimmen. 75,96 Prozent Zustimmung zur „GroKo“. Es folgen zwei Fragen nach dem Kabinett, aber offiziell will Gabriel die sechs SPD-Ministernamen, die längst bekannt sind, erst am Sonntag nach der Vorstandssitzung verkünden.

15.00 Uhr: Die neue Familienministerin Manuela Schwesig winkt den Helfern zu, der Wieder-Außenminister Frank-Walter Steinmeier strahlt, Gabriel, neuer Wirtschafts- und Energieminister, wirkt gerührt. Generalsekretärin Andrea Nahles, nun Arbeitsministerin, wirkt sehr erleichtert. Der neue Justizminister Heiko Maas fehlt. Ebenso wie übrigens Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück.

15.05 Uhr: Gabriel wird gefragt, warum bei der SPD das Finale mit der Kabinettsbesetzung besser laufe als bei der Union. „Bei uns läuft es nicht besser, bei uns läuft es anders“, meint Gabriel.

15.16 Uhr: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gratuliert Gabriel. Merkel freue sich auf die Zusammenarbeit in der großen Koalition. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärt: „Wir freuen uns, dass nun die gemeinsame Regierungsarbeit zügig beginnen kann.“

Hinter CDU, CSU, SPD liegen nervenaufreibende Wochen, die längste Regierungsbildung in der Geschichte der Republik. Das Wochenende der Entscheidung hatte für die SPD schon kurz vor Mitternacht begonnen.

23.50 Uhr: Einsam schlendert Jan Stöß durch das Tor, es ist knapp über null Grad, Winternebel liegt über dem früheren Postbahnhof am Berliner Gleisdreieck. Der Berliner SPD-Landeschef soll hier gleich eine wichtige Fracht in Empfang nehmen.

00.05 Uhr: Lärm stört die Nachtruhe. Ein gelber Post-Lastwagen mit Anhänger biegt ein und fährt in die Halle. Stöß und Hendricks begutachten die Fracht. Viele rote Kisten, darin die Briefe, die darüber entscheiden, ob es eine große Koalition geben wird.

01.00 Uhr: Die „Hochleistungsschlitzmaschinen“ des Typs OL 1000 plus gehen in Betrieb. 40 000 Briefe pro Stunde werden aufgefräst. Hendricks, die als Umweltministerium gehandelt wird, findet, dass „Hochleistungsschlitzmaschine“ statt GroKo (Kurzfassung für große Koalition) das Wort des Jahres 2013 hätte werden sollen.

09.30 Uhr: Die Helfer müssen Handys und Kameras in Schließfächern abgeben, damit der Auszählprozess nicht juristisch anfechtbar ist. Einer ist Julian Müller (19), Juso aus Soest in Nordrhein-Westfalen. „Ich bin ein Gegner der großen Koalition.“ Der Mindestlohn von 8,50 Euro ist für ihn nur eine Mogelpackung, weil er flächendeckend erst 2017 gilt. Neben ihm steht Erich Pommerening (61) aus Kamp-Lintfort. „Ich bin auch dagegen“, sagt er. „Aber mit den Chaoten von den Linken kann man nicht regieren, sorry.“ Sie gehören am Ende zu den knapp 24 Prozent, die die Koalition abgelehnt haben.

10.55 Uhr: Emsiges Treiben in der Auszählungshalle. Nahles meint: „Wir sind viel früher fertig, als wir geplant hatten.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel will das Ergebnis bereits um 14.00 Uhr verkünden. „Einige haben schon gefragt, ob das Bier auch früher käme, wenn schneller ausgezählt werde. Na klar, habe ich gesagt“, so Nahles.

12.15 Uhr: Verwirrung um einen spektakulären Ressortwechsel von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). „Bild.de“ meldet, die 55-Jährige solle neue Innenministerin werden, die „Süddeutsche Zeitung“ wenig später, von der Leyen solle das Verteidigungsministerium von Thomas de Maizière übernehmen.

14.00 Uhr: Die Ergebnisverkündung wird verschoben auf ca. 14.30 Uhr, Krafts Flieger aus Düsseldorf soll Verspätung haben. Per Twitter wird vermeldet, dass 73,6 Prozent zugestimmt hätten. Die SPD-Spitze sagt: „Stimmt nicht.“ Später ist klar: es ist noch mehr. Und Gabriel sagt: „Jetzt wird auch mal Zeit, dass Weihnachten ist.“

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