Partei mit Umfrageproblem:Wahlmüde Genossen verunsichern die SPD

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Die SPD kann sich über gute Umfragewerte nicht ungetrübt freuen. Denn bei Wahlen erhält die Partei oft deutlich weniger Stimmen als vorhergesagt. Aber woran liegt es? Lügen die Wähler der Roten bei Wahlbefragungen? Nein, weiß das Forsa-Institut, sie sagen nur nicht die volle Wahrheit.

Susanne Höll, Berlin

Vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ist die Stimmung in der SPD zwar nicht schlecht, aber keineswegs euphorisch. Das erklärte Wunschziel, rot-grüne Regierungen zu bilden - im Norden ergänzt durch den Südschleswigschen Wählerverband - könnte den Umfragen zufolge erreicht werden, wenn auch nur knapp.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier (von rechts), der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel und der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück: Dass die SPD bei Wahlen oft schlechter abschneidet als vorhergesagt, bereitet der Parteispitze Sorge. (Foto: dapd)

Doch in der Spitze der Bundespartei herrscht die Sorge, dass es mit dem Erfolg wieder einmal nichts werden könnte. Und zwar nicht nur wegen der anhaltenden Popularität der Piraten, die in den Ländern und womöglich 2013 alle rot-grünen Regierungsträume beenden könnten.

Sondern auch, weil die Demoskopen den Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren mit ziemlich großer Regelmäßigkeit Resultate verhießen, die weitaus besser waren als dann die tatsächlichen Ergebnisse. "Wir werden in den Umfragen gern überschätzt", warnen Strategen im Berliner Willy-Brandt-Haus sich und andere vor Übermut.

Zu Recht, denn die Sozialdemokraten haben bereits reichlich Erfahrung gesammelt mit trügerischen Hoffnungen. Besonders dramatisch war dies bei der Europawahl 2009 der Fall. 28 Prozent, mindestens jedoch 25 wollten der SPD ihre Stimme geben, meldeten die Institute. Am 7. Juni 2009 fielen die Sozialdemokraten allerorten vor Enttäuschung fast in Ohnmacht: Das Ergebnis lautete 20,8 Prozent.

Bei der Bundestagswahl waren die Differenzen nicht ganz so augenfällig. 25 Prozent, vielleicht sogar 27 seien machbar, hieß es im Herbst 2009. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und die gesamte Partei brauchten anschließend lange Zeit, um das für sie katastrophale Ergebnis von 23 Prozent zu verarbeiten.

SPD-Wähler - zumindest theoretisch

Bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin im September 2011 ließen Umfragen die SPD von mehr als 30 Prozent träumen; 28,3 Prozent lautete das Resultat. Und im Saarland hatte sich der SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas dieses Frühjahr Hoffnung gemacht, dass seine Partei stärkste Kraft mit nahezu 35 Prozent werden könnte. Schlussendlich waren es am 25. März gerade einmal 30,6 Prozent.

Eine Ausnahme war die Bürgerschaftswahl in Hamburg im Februar 2011. Dass die SPD nach dem unrühmlichen Ende der schwarz-grünen Landeskoalition mit Abstand stärkste Kraft werden würde, bezweifelte kein Mensch. Die Demoskopen sahen die Partei bei 45 Prozent. Spitzenkandidat Olaf Scholz durfte sich am Wahlabend allerdings über 48,5 Prozent freuen. Dafür bekam die Hamburger CDU das Überschätzungsproblem zu spüren und schnitt schlechter ab, als es Umfragen signalisierten.

Die Demoskopen haben für die Diskrepanzen eine Erklärung. Es ist keinesfalls so, dass SPD-Anhänger öfter als die Unterstützer anderer demokratischer Parteien bei Befragungen lügen. Sie würden, sagt Joachim Koschnicke, Vize-Chef des Forsa-Instituts, durchaus rot wählen, wenn sie tatsächlich zur Wahl gingen.

Aber in den vergangenen Jahren hätten viele offenbar nicht hinzugefügt, dass sie daheim bleiben wollten oder zumindest überlegten, es zu tun. Sei es aus Verdruss über den Kurs der Partei, sei es mangels attraktiver Machtperspektiven der SPD, die sich zuletzt oft in großen Koalitionen wiederfand.

Im Willy-Brandt-Haus hofft man, dass es diesmal anders wird. Immerhin seien rot-grüne Koalitionen in beiden Ländern zumindest realistisch, heißt es. Und knappe Umfragen hätten auch ihr Gutes - sie könnten die Leute mobilisieren, an den Sonntagen zur Wahl zu gehen.

© SZ vom 02.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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