Parlamentswahl in Weißrussland:Opposition boykottiert die Wahl

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Todesstrafe und politische Gefangene: Seit 18 Jahren regiert "Europas letzter Diktator" Lukaschenko die Ex-Sowjetrepublik Weißrussland mit harter Hand. Nun ließ der Staatschef ein neues Parlament wählen, unter Boykott der Opposition.

Die Opposition ist empört, der Präsident rechnet mit einem Sieg: Unter dem Boykott von zwei Oppositionsparteien haben die Menschen in der autoritär regierten Ex-Sowjetrepublik Weißrussland ein neues Parlament gewählt. Vertreter der Opposition kritisierten den Urnengang als undemokratisch und nicht transparent. Alles deutet indes darauf hin, dass die Partei von Präsident Alexander Lukaschenko einen eindeutigen Sieg davon tragen wird.

Über seine Kritiker spricht Alexander Lukaschenko stets mit Abscheu und warnt die Opposition vor Protesten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. (Foto: AFP)

Laut Angaben der Wahlkommission lag die Beteiligung bei rund 66 Prozent. Die oppositionellen Christdemokraten gaben hingegen die Beteiligung mit knapp 39 Prozent an, und auch die oppositionelle Bewegung für die Freiheit kam auf deutlich niedrigere Zahlen. Vorläufige Ergebnisse sollten am Montag bekannt gegeben werden.

Die Vereinigte Bürgerpartei und die Weißrussische Nationale Front ließen sich von der Wahlkommission im Vorfeld von den Stimmzetteln streichen. Sie kritisierten die Behandlung von politischen Gefangenen und sehen zudem zu viele Möglichkeiten für Wahlbetrug.

"Eine Million Demonstranten würden Lukaschenko hinwegfegen", meint Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch. Zuletzt hatten die Regimegegner zwar etwa 30.000 Unzufriedene mobilisieren können. Aber der Rückhalt stagniere, bedauert Milinkewitsch. "Viele Menschen vertrauen nicht darauf, dass wir es besser machen", räumt er ein. Immer wieder würde Lukaschenko in den Staatsmedien Horrorszenarien vom Zerfall Weißrusslands für den Fall an die Wand malen, dass seine Gegner die Macht übernehmen würden. Außerdem sei die Opposition gespalten, bedauert Milinkewitsch. Selbst auf einen einheitlichen Boykott der Wahl am Sonntag habe sie sich nicht einigen können. "Die Opposition braucht neue Gesichter", meint der politische Kommentator Waleri Karbalewitsch.

"Wir fordern die Wähler auf, diese Wahlfarce zu ignorieren und zu boykottieren", sagte der Vorsitzende der Bürgerpartei, Anatoli Lebedko. 33 von 35 Kandidaten der Partei wurden zuvor von der Fernsehberichterstattung ausgeschlossen. Die staatliche Presse weigerte sich, ihre Wahlprogramme zu veröffentlichen. Etwa 40 Kandidaten von kommunistischen und linken Gruppen waren zur Wahl angetreten. Insgesamt hatten sich 293 Kandidaten um die 110 Mandate beworben.

Nur Anhänger von Lukaschenko im Parlament vertreten

Im Parlament waren bislang ausschließlich Anhänger der Regierung vertreten, seit die letzten drei Abgeordneten der Opposition 2004 ihre Sitze verloren hatten. Präsident Lukaschenko versuche nicht einmal, der Wahl eine demokratische Fassade zu geben, sagte der Oppositionspolitiker Vitali Rimaschewski, der bei der Präsidentschaftswahl 2010 gegen den Amtsinhaber antrat. "Er kennt schon die Namen der neuen Parlamentsmitglieder."

Lukaschenko regiert das Land mit zehn Millionen Einwohnern seit 1994 autoritär, geht gegen Andersdenkende und unabhängige Medien vor. Über seine Kritiker spricht er stets mit Abscheu. Der Rückzug der Oppositionsparteien von der Wahl zeige ihre Schwäche, erklärte er am Freitag. "Wahlen in solchen Staaten, in denen sie langweilig und friedlich stattfinden, sind eine gute Sache für die Menschen und natürlich für die Regierung", sagte Lukaschenko nach der Stimmabgabe.

Er warnte die Opposition vor Protesten. "Die Show beginnt hier immer nach den Wahlen, deshalb kann - Gott bewahre - alles passieren. Alle Arten von politischem Unsinn passieren hier immer nach der Bekanntgabe des Ergebnisses."

Beck nennt Wahlen in Weißrussland eine "Farce"

Grünen-Politikerin Marieluise Beck bezeichnete die Parlamentswahl als eine "Farce". Eine echte Wahl habe es nicht geben: "Die Opposition wurde zu den Wahlkommissionen praktisch nicht zugelassen. Eine unabhängige Kontrolle der Auszählung ist deshalb unmöglich", erklärte sie. So sei absehbar, dass ein Lukaschenko genehmes Wahlergebnis verkündet werde. Zugleich verwies sie auf die geringe Bereitschaft Wähler, ihre Stimmen abzugeben. "Es gibt kaum Interesse an der Wahl eines Marionettenparlaments, das lediglich die Ukase des Diktators abnickt", teilte Beck mit.

Am vergangenen Mittwoch verweigerten die weißrussischen Behörden zwei Wahlbeobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) die Einreise, darunter auch Beck. Insgesamt befinden sich rund 300 OSZE-Beobachter für die Wahl in Weißrussland. Auf Anraten der Behörden hatten rund 28 Prozent der Wahlberechtigten bereits in der vergangenen Woche ihre Stimme angegeben. Die Wahlurnen standen tagelang unbewacht in den Wahllokalen. Das ermögliche Manipulationen, kritisierten Wahlbeobachter.

Regierungsgegner fürchten Repressionen

"Sie haben Listen erstellt von den Wählern, die an der frühen Abstimmung teilgenommen haben, und werden jene bestrafen, die nicht gehorsam waren", sagte der Student Roman Gubarewitsch, der am Mittwoch seine Stimme abgab. Der ehemalige Offizier Piotr Ruschailo hingegen unterstützte den Kurs der Regierung. "Ich bin mir sicher, dass das Volk hinter der Regierung steht und wir unsere gegenwärtigen Probleme meistern werden", sagte der 73-jährige. "Die Opposition will nur die Arbeit der Regierung und des Parlaments stören, deshalb bin ich froh, dass sie nicht an den Wahlen teilnimmt."

Nach der Präsidentschaftswahl 2010 kam es in Weißrussland zu Massenprotesten gegen den mutmaßlichen Wahlbetrug. Die Polizei nahm rund 700 Menschen fest, von denen einige noch immer in Haft sind.

© Süddeutsche.de/dpa/mike - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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