Parlamentswahl in Ruanda:Kagame ohne Opposition

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Erfolgreich, aber autoritär: Ruandas Präsident Paul Kagame am Montag bei seiner Stimmabgabe in Kigali. Oppositionsparteien befinden sich nicht auf dem Wahlzettel. (Foto: REUTERS)

In Ruanda wird heute gewählt, doch eine Wahl haben die Menschen nicht wirklich: Alle kandidierenden Parteien unterstützen die Regierung von Präsident Kagame. Die echte Opposition bleibt draußen. Der Chef der ruandischen Grünen Frank Habineza erzählt, wie schwierig Oppositionsarbeit in Ruanda ist - und wie gefährlich.

Von Isabel Pfaff

Frank Habinezas Stimme klingt überraschend leise, der Politiker bleibt am Telefon sehr zurückhaltend. Kein einziges Mal schimpft er über die Regierung Ruandas oder Präsident Paul Kagame. Vielleicht ist das seine Art, womöglich aber ist das einfach normal in dem ostafrikanischen Staat, der Beobachtern zufolge zu den wenigen afrikanischen Ländern mit einem modernen Überwachungsapparat gehört.

Habineza ist Chef der Democratic Green Party of Rwanda (DGPR). An seiner Partei lässt sich gut erzählen, unter welchen Bedingungen Oppositionsgruppen in Ruanda derzeit arbeiten. Es geht nicht nur um Überwachung. Es geht auch um Verhaftungen, wahrscheinlich sogar um Mord.

Die Schattenseiten der äußerst erfolgreichen Regierung von Präsident Paul Kagame spielen im westlichen Bild von Ruanda keine große Rolle. Zu märchenhaft ist die Story von dem ehemaligen Bürgerkriegsland, das sich 20 Jahre nach dem Völkermord der Hutu-Extremisten an der Tutsi-Minderheit zur am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft Ostafrikas entwickelt hat. Demokratiedefizite, so scheint es, passen da nicht so recht ins Bild.

Ein gnadenloser Präsident

Detailliert erzählt Habineza von den erfolglosen Versuchen seiner Partei, sich registrieren zu lassen. Seit 2009 gibt es die ruandischen Grünen, eigentlich wollten sie schon 2010 zur Präsidentschaftswahl antreten. Aber dazu kam es nicht. "Bei unserem ersten Gründungskongress stürmten Unbekannte die Veranstaltung und verprügelten uns", erzählt Habineza. "Danach haben uns die Behörden mehrere Male verboten, einen Gründungskongress abzuhalten - aus Sicherheitsgründen, wie sie sagten." Ohne Gründungskongress keine Partei, ohne Partei kein Präsidentschaftskandidat. Ob die abgelehnten Anträge System hatten? Der 36-Jährige schweigt.

Der ruandische Präsident Kagame ist eine schillernde Figur. Mühelos bewegt er sich auf internationalem Parkett, besucht regelmäßig das Weltwirtschaftsforum in Davos und ist gut bekannt mit den Clintons. Für den Westen ist Ruanda unter Kagame zum Vorzeigeland geworden: sauber, sicher, effizient. Doch innenpolitisch ist der disziplinierte, dürre Mann gnadenlos.

2010, rund um die letzte Präsidentschaftswahl, erreichten die Repressionen gegenüber Regierungskritikern ihren Höhepunkt. Kagames regierende Partei Rwandan Patriotic Front (RPF) verhaftete mehrere Oppositionsführer, ließ zwei regierungskritische Zeitungen schließen und steckte ihre Herausgeberinnen ins Gefängnis. Ein Journalist wurde wenige Wochen vor der Wahl ermordet aufgefunden. Viele Politiker und Publizisten flüchteten ins Ausland.

Wahlen ohne Opposition

Wie Frank Habineza. Der Grünen-Chef fühlte sich nicht mehr sicher. "Ich bin für zwei Jahre nach Schweden ins Exil gegangen, nachdem mein Stellvertreter ermordet wurde", sagt er mit leiser Stimme. André Kagwa Rwisereka, Vizepräsident der DGPR, verschwand Mitte Juli 2010, wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl. "Wir haben seine Leiche kurze Zeit später an der Grenze zu Burundi gefunden. Sein Kopf war fast komplett abgetrennt", erzählt Habineza. Die Nachricht vom Tod des Oppositionspolitikers gelangte auch in westliche Medien.

Bis heute ist der Mord nicht aufgeklärt. "Die Polizei hat die Person festgenommen, die zuletzt mit ihm gesehen wurde, musste sie aber aufgrund fehlender Beweise wieder frei lassen", sagt Habineza. "Die Untersuchungen laufen noch." Ob er Vermutungen habe, wer hinter der Tat stecke? Habineza wiederholt leise: "Die Untersuchungen laufen noch."

2012 kehrte der Grünen-Chef nach Ruanda zurück. Er scheint optimistischer, beschwört, dass sich die Situation verändert habe. Immerhin: Beim elften Versuch klappte es vor kurzem mit der Registrierung der Grünen. Bei den Wahlen treten sie wieder nicht an. Drei Tage nach ihrer Anerkennung verstrich nämlich die Frist für die Registrierung der Parlamentskandidaten. Habineza möchte das nicht kommentieren. Er sagt nur: "So schnell konnten wir die nötigen Dokumente für die Parlamentskandidaten nicht auftreiben." Und ergänzt enttäuscht: "Damit steht in Ruanda wieder keine Oppositionspartei zur Wahl."

Frank Habineza in seinem Büro in der ruandischen Hauptstadt Kigali. 2012 erst kehrte er aus dem Exil zurück. (Foto: privat)

Neben der regierenden Partei kandidieren zwar sieben weitere, doch vier davon treten in Koalition mit der RPF an. Die restlichen drei bezeichnen sich zwar als Oppositionsparteien, doch auch sie würden den Kurs der RPF im Großen und Ganzen unterstützen, sagt Carina Tertsakian, Ruanda-Expertin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW).

Tertsakian berichtet von einem ständig wiederkehrenden Muster, das sie im Umgang der Regierung mit ihren Kritikern beobachte. Dass Behörden Oppositionsparteien wiederholt nicht anerkennen, hätten nicht nur die Grünen erlebt. Noch immer sitzen zwei wichtige Oppositionsfiguren im Gefängnis. "Was politische Freiräume und Demokratie betrifft, hat sich in Ruanda bis heute nichts verbessert", sagt Tertsakian.

Die Repressionen dauern an

Raum für Kritik an der Regierung ist also bis heute kaum vorhanden. Bei den Wahlen erwarten Experten und Beobachter deshalb keine Überraschungen. Fast 80 Prozent der Stimmen hat die RPF bei den letzten Parlamentswahlen 2008 bekommen, Kagame selbst wurde 2010 sogar mit über 93 Prozent der Stimmen gewählt.

Wird Ruanda also zu einem weiteren Beleg dafür, dass wirtschaftlicher Erfolg und die Entwicklung echter demokratischer Strukturen nicht miteinander einher gehen müssen? Auf den Fotos der Grünen-Webseite ist Frank Habineza zu sehen, wie er stolz die Parteifahne vor dem Büro in der Hauptstadt Kigali hisst. Am Telefon gibt er sich hoffnungsvoll: "Wir konzentrieren uns erst einmal auf die Stärkung der Parteistrukturen. 2016 sind Lokalwahlen, da wollen wir dabei sein." Demokratie, Ökologie, Umweltschutz - es gäbe viele Themen, die die Grünen gern auf die Agenda setzen würden. Im Moment ist Habineza allerdings schon froh, dass er in Ruanda eine Fahne hissen darf.

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