Regierungswechsel in Portugal:Debakel für Sócrates

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Bei der Parlamentswahl im krisengeplagten Portugal fahren die regierenden Sozialisten unter José Sócrates das schlechteste Ergebnis seit mehr als 20 Jahren ein. Stärkste Kraft waren die Konservativen unter Pedro Passos Coelho - sie feiern den Regierungswechsel.

Javier Cáceres, Madrid

Das krisengeplagte Portugal hat dem sozialistischen Ministerpräsidenten José Sócrates ein Debakel bereitet und sich deutlich für einen Regierungswechsel entschieden. Sechs Jahre nach dem Gewinn der absoluten Mehrheit musste Sócrates am Sonntag bei den vorgezogenen Parlamentswahlen eine Schlappe einstecken, die weit heftiger ausfiel, als zunächst erwartet worden war. Ersten Prognosen zufolge rutschten die Sozialisten sogar unter die 30-Prozent-Marke. Sie fuhren damit das schlechteste Resultat seit über 20 Jahren ein.

José Sócrates muss bei den Parlamentswahlen eine herbe Niederlage einstecken. Ob er Parteichef der Sozialisten bleiben kann, ist nach diesem Ergebnis offen. (Foto: AP)

Sieger war der konservative Ökonom Pedro Passos Coelho, 46. Den ersten Prognosen zufolge war nicht ausgeschlossen, dass seine PSD-Partei die absolute Mehrheit im Parlament erreicht. Mit deutlich über 40 Prozent der Stimmen wurde sie stärkste Partei. Passos Coelho kann in jedem Fall mit der liberalen CDS koalieren. Diese erhielt dank leichter Zugewinnen 12 Prozent und wurde drittstärktste Partei. Schon vor den Wahlen hatte sie sich koalitionsbereit gezeigt.

Auffällig war die neuerlich massive Wahlenthaltung. Sie lag jenseits der 40-Prozentmarke von 2009. Sie war allerdings angesichts der weitverbreiteten Politikverdrossenheit erwartet worden. "Das Volk hat entschieden. Die Sozialistische Partei hat verloren, ist aber weiterhin eine große Partei", sagte Wirtschaftsminister José Vieira Silva, als er kurz nach Schließung der Wahllokale betreten vor seine Parteigenossen trat.

Angesichts des desaströsen Resultats ist offen, ob Sócrates, 53, Parteichef bleiben kann oder willens ist, in die Opposition zu gehen. Im Lager der Wahlsieger war zunächst vornehme Zurückhaltung zu spüren. Der Generalsekretär der PSD, Miguel Relvas, beließ es dabei, seine Zufriedenheit "über den Willen der Portugiesen zur Wende" zu Protokoll zu geben. Spitzenkandidat Passos Coelho habe im Wahlkampf immer wieder darauf hingewiesen, dass auf die Portugiesen harte Zeiten zukommen. Die PSD sei sich ihrer Verantwortung bewusst. Das hochverschuldete Portugal wird mindestens zwei weitere Jahre in der Rezession verharren und leidet unter einer Rekordarbeitslosigkeit von über 12 Prozent.

Sócrates hatte zuletzt nur noch geschäftsführend amtieren können. Er war zurückgetreten, nachdem er Ende März im Parlament keine Mehrheit für das vierte Sparpaket innerhalb von elf Monaten bekommen hatte. Nach dem Sturz der Regierung waren die Zinsaufschläge für portugiesische Staatsanleihen explodiert. Das Land geriet an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Seit April steht Portugal daher unter der Kuratel der "Troika", wie die Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) genannt werden. Sie hatten dem Land für Notkredite über 78 Milliarden Euro einen harten Auflagen-Mix aus Sparmaßnahmen, Sozialkürzungen, Privatisierungen und Strukturreformen verordnet, der absehbar zu einer weiteren Verarmung breiter Bevölkerungsschichten führen wird.

Klar ist, dass das Maßnahmenpaket der Troika nicht wieder aufgeschnürt wird. Sowohl Sozialisten als auch die beiden rechten Parteien hatten sich vor den Wahlen verpflichtet, den Forderungen nachzukommen. Abgelehnt wurden die Kredit-Auflagen nur von den orthodoxen Kommunisten und dem buntscheckigen Linksblock. Sie blieben hinter ihren Wahlerwartungen deutlich zurück.

© SZ vom 06.06.2011/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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