Parlamentswahl in Iran:Rache des Ayatollah

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Die Wahl in Iran ist undemokratisch, aber trotzdem völlig offen: Mit ihr wird der Machtkampf zwischen Präsident Ahmadinedschad und dem Geistlichen Führer Chamenei entschieden. Der Ayatollah hat sich mit seinem einstigen Jünger überworfen - Ahmadinedschad ringt um sein politisches Überleben.

Rudolph Chimelli

Iranische Wahlen sind gelenkt. Wenn am Freitag 48 Millionen Berechtigte aufgerufen sind, die 290 Abgeordneten für die Madschlis, das Parlament, zu bestimmen, dann sind die Hoffnungsträger von einst, die Reformer, bis auf Reste aufgerieben; Systemgegner sind ausgeschaltet. Dennoch ist die Abstimmung kein Zahlenspiel mit 99 Prozent wie ehedem im Ostblock. Gleich organisierten Parteien ringen die Anhänger des radikalen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und des konservativen Geistlichen Führers Ali Chamenei darum, wer mit dem Gewicht des Wahlergebnisses die Zukunft der Islamischen Republik Iran gestalten wird.

Der Geistliche Führer Ali Chamenei verlässt nach der Stimmabgabe das Wahllokal. (Foto: Reuters)

Bei seiner ersten Wahl 2005 war Ahmadinedschad von Chamenei in den Sattel gehoben worden. Bekannteren Kandidaten wie dem Expräsidenten Haschemi Rafsandschani oder dem energischen Flieger-Offizier Mohammed Bagher Kalibaf, inzwischen Bürgermeister von Teheran, wurden Fesseln angelegt.

Der unscheinbare Populist schien Chamenei der bessere Büttel zu sein, geeignet, ihm die Reformer vom Hals zu schaffen. Noch bei Ahmadinedschads umstrittener Wiederwahl 2009 stand Chamenei voll hinter ihm. Inzwischen haben sie sich überworfen. Denn unter Ahmadinedschad wurden Turbanträger in Machtpositionen systematisch durch junge Techniker und Revolutionsgardisten ersetzt.

Als der Präsident mit propagandistischem Klamauk den Kult des Zwölften Imams inszenierte, der in der nahen Endzeit der Welt aus tausendjähriger Entrückung zurückkehren soll, fühlte sich die Klasse der hohen Kleriker, die seit der Revolution von 1979 den Gottesstaat regierte, ernsthaft in ihren Privilegien und ihrem Reichtum bedroht. Denn wer seine Inspiration direkt vom Messias bezieht, braucht keinen vermittelnden Ayatollah. Noch dazu predigt Ahmadinedschad einen "iranischen Islam", der jenem der Araber weit überlegen sei. Er ist kein Jünger mehr, sondern ein Konkurrent.

Die Madschlis lag mit dem Präsidenten zuletzt im Dauerstreit. Sie wird von Gefolgsleuten Chameneis beherrscht, der auch Fernsehen und Rundfunk, Polizei und Geheimdienste, Streitkräfte und Justiz kontrolliert. Enge Mitarbeiter Ahmadinedschads werden von ihnen nach Kräften schikaniert. Er selbst muss sich schon in der Woche nach der Wahl vom Parlament peinlich über ökonomische Misserfolge, Verschwendung von Riesensummen zur Klientenwerbung und Vetternwirtschaft befragen lassen. Bleiben die Mehrheitsverhältnisse wie sie sind, droht ihm in letzter Konsequenz die Amtsenthebung.

Gewinnt sein Lager mehr Gewicht, dann kann er hoffen, für die Präsidentenwahl des nächsten Jahres, bei der er selbst nicht mehr antreten darf, einen Strohmann zu lancieren und seine Herrschaft zu verlängern. Daran arbeitet Ahmadinedschad energisch. Wahlen werden von seinem Innenminister organisiert, fast alle Provinz-Gouverneure und Bürgermeister stehen auf seiner Seite. Die armen Iraner, deren Lebensstandard er mit Direktzahlungen von monatlich 30 Dollar subventioniert, fürchten um ihre Pfründe.

Es wird eine spannende Wahl. Doch demokratische Ansprüche erfüllt sie schon deshalb nicht, weil der aus Gefolgsleuten Chameneis bestehende Wächterrat alle weltanschaulich unsicheren Kandidaten gestrichen hat. Allenfalls drei Dutzend reformorientierte Bewerber überstanden die Säuberung. Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi, Führer der oppositionellen Grünen Bewegung, stehen unter Hausarrest. Mohammed Chatami, der als Vorgänger Ahmadinedschads im Präsidentenamt acht Jahre lang die Hoffnung der Reformer trug, hält sich zurück.

Es hat sich nach der Zerschlagung der Opposition politische Apathie ausgebreitet. Die Wahlbeteiligung wird ein Gradmesser dafür sein, wie sehr das Regime das Volk noch mobilisieren kann.

Wegen der dominierenden Stellung der Pasdaran, der parallelen Armee der Revolutionswächter, wird Iran vielfach als Militärdiktatur charakterisiert. Die Pasdaran sind moderner als die regulären Streitkräfte. Sie besitzen ein Wirtschaftsimperium, dessen Industrie auch die Rüstung umfasst. Häfen, Handel und Schmuggel sind weitgehend in ihrer Hand. Ihre Treue zu Chamenei schien unwandelbar. Neuerdings heißt es, da auch ihre Unternehmen unter den Sanktionen leiden, sei die Konfrontationspolitik unter Pasdaran-Kommandeuren nicht mehr unumstritten.

Im Atomstreit ist Chamenei der Mann der harten Linie. Ahmadinedschad hatte zwei Mal ein Arrangement mit dem Westen gesucht. Er wurde von den Konservativen zurückgepfiffen; aber auch die Reformer sprachen von "nationalem Ausverkauf".

© SZ vom 02.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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