Paris:Treffen offenbart Schwächen der Anti-IS-Koalition

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  • In Paris treffen sich Vertreter der Anti-IS-Koalition zu einer Zwischenbilanz. Dabei wird deutlich, wie bescheiden die Erfolge im Kampf gegen die islamistische Terrormiliz sind.
  • Der irakische Regierungschef Haider Abadi erklärt die westliche Strategie für gescheitert. Die USA versprechen die Lieferung panzerbrechender Raketen.
  • Zudem wächst die Sorge, dass auch die Armee des syrischen Machthabers Assad im Kampf gegen den IS weiter in die Defensive gerät.

Von Stefan Braun, Paris

"Wir haben fast nichts bekommen"

Unter wachsenden internen Spannungen ist in Paris der engere Kreis der Anti-IS-Koalition zu einer Zwischenbilanz zusammengekommen. Unmittelbar vor dem Treffen warf der irakische Regierungschef Haider Abadi den westlichen Partnern vor, sein Land zu wenig zu unterstützen. Es gebe vor allem zu wenig Waffen und sonstige Ausrüstung. "Wir haben fast nichts bekommen", erklärte Abadi in einem Interview. Außerdem betonte er, dass die bisherige Strategie des Westens im Umgang mit dem Islamischen Staat gescheitert sei.

Damit reagierte Abadi offenkundig auf jüngste Kritik aus den Vereinigten Staaten. US-Verteidigungsminister Ashton Carter hatte der irakischen Armee zuletzt mangelnde Kampfbereitschaft vorgeworfen. Insbesondere der Verlust der Stadt Ramadi an die Terrormiliz nährt tatsächlich die Befürchtung, dass die irakische Armee zu unentschlossen vorgeht und allzu schnell aufgibt, wenn sie sich an einer bestimmten Front eines Erfolges nicht mehr sicher sein kann.

Auf der Konferenz selbst waren kritische Töne nicht zu hören. Der Vertreter des erkrankten Außenministers John Kerry, Antony Blinken, sagte allerdings, dass ein Erfolg nur möglich sei, wenn man "entschlossen, geeint und fokussiert" in den Kampf gegen den IS ziehe. Das wurde als Botschaft an Abadi gelesen, nicht länger über Strategie und Geschlossenheit zu streiten.

Eher flüchten als kämpfen

Abadi betonte, sein Land brauche mehr Unterstützung, insbesondere im psychologischen Konflikt mit der Terrororganisation. Diese sei nicht im Irak entstanden und rekrutiere mittlerweile mehr Kämpfer aus dem Westen als aus dem Irak. Abadi räumte ein, dass es neben Erfolgen auch Rückschläge gebe. Umso mehr sei es wichtig, künftig mit noch größerem Einsatz gemeinsam zu kämpfen. "Wir können Opfer bringen, aber die Koalition muss uns helfen", so Abadi. Blinken kündigte an, die US-Seite werde noch in dieser Woche einen Wunsch Bagdads erfüllen und mit der Lieferung von panzerbrechenden Raketen beginnen. Hintergrund ist, dass die Terrormiliz dazu übergegangen ist, bei Selbstmordanschlägen mit Sprengstoff vollgestopfte Panzer in Kasernen und andere Einrichtungen zu lenken.

Bei den internen Gesprächen wurde deutlich, wie groß die Sorge vor einem Scheitern der irakischen Armee inzwischen ist. Die jüngsten Erfolge der IS-Milizen beispielsweise in der Stadt Ramadi nähren die Furcht davor, dass die äußerst brutale Vorgehensweise der Islamisten auch in der eigentlich gut gerüsteten irakischen Armee gravierende Folgen zeitigt. Bilder vom grausamen Umgang der Milizen mit Gefangenen führen offenbar immer wieder dazu, dass Soldaten der regulären Armee Bagdads eher flüchten als kämpfen, wenn sie eine Niederlage nicht mehr ausschließen können.

Steinmeier will UN-Verhandlungen mit Damaskus

Mit Sorge und Hoffnung wird in der Koalition verfolgt, dass offenbar auch die syrische Armee im Kampf gegen den IS immer stärker in die Defensive gerät. Insbesondere der Verlust der historischen Stätten von Palmyra hat bewirkt, dass sich die Sorge um einen Zerfall Syriens gleichzeitig mit der Hoffnung verbindet, dass das Regime von Baschar al-Assad in Damaskus am Ende doch noch bereit sein könnte, sich auf Verhandlungen über einen Machtwechsel einzulassen. Insbesondere der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) drang intern darauf, die Bemühungen der Vereinten Nationen um echte Verhandlungen mit Damaskus zu unterstützen.

Deutschland engagiert sich - neben den Waffenlieferungen an die Kurden - vor allem bei dem Ziel, in den vom IS befreiten Regionen mit Geld und technischer Hilfe möglichst schnell Erfolge beim Wiederaufbau zu schaffen.

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