Papst in Afrika:Kleptokraten und Wunderheiler

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Die Kondom-Debatte verdeckt, dass der Besuch von Benedikt XVI. in Afrika noch ganz andere Fragen aufwirft: Der Papst versäumt es, sich ernsthaft auf die Seite der Armen zu stellen.

Michael Bitala

Es fällt zunehmend schwer, Papst Benedikt XVI. zu verstehen. Und zwar nicht nur wegen seines Umgangs mit der Pius-Bruderschaft oder dem Holocaust-Leugner Richard Williamson.

Der Papst gibt Kameruns Präsidenten Paul Biya die heilige Kommunion (Foto: Foto: AFP)

Nun ist er nach Afrika gereist und hat ausgerechnet dort die Verwendung von Kondomen gegeißelt. Diese dämmten Aids nicht ein, sagte er zu Beginn des Besuchs, sondern verschlimmerten das Problem. Und das auf dem Kontinent, wo die Pandemie so wütet wie sonst nirgendwo auf der Welt.

Über den Papst und das Thema Kondome regen sich viele zu Recht auf. Dennoch überdeckt die Empörung eine Reihe vielleicht noch wichtigerer Fragen, die Benedikts Besuch in Afrika aufwirft.

Das fängt schon bei der Auswahl der Reiseziele an. In Kamerun, einem der korruptesten Staaten der Welt, sagte der Papst: "Ein Christ kann niemals schweigen angesichts von Leiden und Gewalt, Armut, Hunger, Korruption und Machtmissbrauch."

Gleichzeitig aber gibt er dem Präsidenten des Landes, Paul Biya, durch seinen Besuch den Segen und nimmt gemeinsam mit ihm Ovationen entgegen. Ungeachtet der Tatsache, dass Biya Kamerun als Privatbesitz betrachtet und für den Papstbesuch in Jaunde Marktstände abreißen ließ, um das Stadtbild von Kleinhändlern zu säubern.

In Angola, wo Benedikt am Freitag eintrifft, wird es ähnliche Szenen geben. Denn auch dort ist der Präsident so raffgierig wie der in Kamerun. Die überwiegende Mehrheit der Angolaner lebt jedenfalls in Armut. Und das liegt nicht daran, dass das Land so arm wäre, im Gegenteil, der Öl- und Diamantenreichtum verschwindet seit langem in den Taschen der Herrschenden.

Benedikt XVI. wird kein Wort darüber verlieren, dass diese Kleptokraten für die Misere ihrer Länder verantwortlich sind. Er lässt sich vielmehr in deren Beisein von den Gläubigen bejubeln. Das mag schöne Bilder von fröhlichen Christen geben, die Herzen der Menschen aber erreicht der Papst damit nicht.

Dabei wäre es für ihn so einfach, die afrikanischen Katholiken zu begeistern und auch neue Anhänger zu finden. Wenn er sich nämlich darauf besinnen würde, wofür seine Kirche in Afrika steht. Es sind vor allem Geistliche, die den Menschen in Notlagen beistehen, die mit ihnen für die Unabhängigkeit und gegen die Ausbeutung gekämpft haben, die Schulen errichten und Krankenhäuser, weil sich viele Regierungen bis heute nicht darum kümmern. Und in Ländern wie dem Kongo war die katholische Kirche 1997 gar die einzige landesweite Institution, die nach dem Sturz des Diktators Mobutu überhaupt noch funktionierte.

Dass die Zahl der Katholiken in Afrika seit Jahren steigt, liegt nicht daran, dass sich die Menschen mit dem katholischen Glauben wirklich identifizieren. Es hat eher pragmatische Gründe. Und wo immer die zumeist evangelischen Freikirchen und Sekten auftreten, hat es der Katholizismus schwer. Die Zahl der charismatischen Kirchen ist in den vergangenen Jahren geradezu explodiert, mehr als 10.000 soll es inzwischen geben.

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Sie alle versprechen Wohlstand und Erfolg, wenn man nur dem richtigen Weg folgt. Und da sie ihre Heilslehre afrikanischen Traditionen angepasst haben, den Wunderheilungen, der Bedeutung der Träume und dem Kampf gegen Dämonen, sind sie viel näher an den Überzeugungen vieler Afrikaner als die katholische Großkirche, die seit Jahrhunderten gerade solche Vorstellungen bekämpft.

Der Papst muss nicht - wie es die Prediger der charismatischen Kirchen tun - mit allen Mitteln um die Gunst der Gläubigen buhlen. Aber dem Katholizismus in Afrika wäre schon geholfen, wenn sich Benedikt als mutiger und unerschrockener Kämpfer für die Armen einsetzen und jene Probleme benennen würde, welche die Menschen wirklich umtreiben. Dazu gehören korrupte Machthaber, die ihn gerade hofieren, und dazu gehört auch eine Lehre, die näher an der Lebenswirklichkeit der Menschen ist.

© SZ vom 20.03.2009/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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