Pakistan:Unsaubere Aufarbeitung

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Der Reporter Daniel Pearl in Gefangenschaft mit einem Exemplar der pakistanischen Zeitung Dawn. (Foto: -/AFP)

Washington ist empört über die Freilassung der verurteilten Mörder des Journalisten Daniel Pearl in Pakistan. Doch Zweifel an ihrer Schuld sind nicht neu.

Von Arne Perras, München

Mit Empörung hat Washington auf die Entscheidung des pakistanischen Verfassungsgerichts reagiert, die verurteilten Mörder des US-Journalisten Daniel Pearl freizulassen. Die neue Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, nannte die Anordnung der pakistanischen Justiz einen "Affront für Terroropfer überall". Gleichzeitig drängt Washington die Regierung in Islamabad, "alle juristischen Optionen zu prüfen, um Gerechtigkeit sicherzustellen". Das bedeutet, die US-Regierung will erreichen, dass Ahmed Omar Saeed Sheikh, den die Anklage ursprünglich als Haupttäter eingestuft hatte, in die USA ausgeliefert wird.

"Wir sind auch bereit, Sheikh in den Vereinigten Staaten anzuklagen wegen dieser entsetzlichen Verbrechen gegen einen amerikanischen Staatsbürger", erklärte US-Außenminister Antony Blinken. "Wir sind entschlossen, Gerechtigkeit für Daniel Pearls Familie zu erlangen und Terroristen zur Rechenschaft zu ziehen."

Islamisten enthaupteten Pearl, sie filmten die Tat

Der Fall Pearl hatte 2002 weltweites Entsetzen ausgelöst. Als Leiter des Südasienbüros des Wall Street Journal hatte der US-Journalist über den britischen Terroristen Richard Reid recherchiert, der auch als "Schuhbomber" bekannt wurde. Radikale Islamisten entführten Pearl in Karachi und enthaupteten ihn später, sie filmten die Tat und sandten Aufnahmen an Vertreter der US-Regierung. Das ermunterte offenbar später auch andere Extremisten, ihre Grausamkeit vor der Kamera zu inszenieren und auf diese Weise global Schrecken zu verbreiten, etwa so wie es später der sogenannte "Islamische Staat" in Syrien machte.

Vier Männer wurden 2002 im Zusammenhang mit dem Mord verhaftet, drei zu lebenslanger Haft verurteilt. Gegen den vierten, Saeed Sheikh, verhängten die Richter ein Todesurteil. Im April 2020 untersuchte dann der Gerichtshof der Provinz Sindh den Fall erneut und kam zu dem Schluss, dass es Mängel bei der Zeugenbefragung gegeben habe, die Richter verwiesen auf Widersprüche im Polizeibericht und auch auf angeblich erzwungene Geständnisse. Die vier Männer hätten nach 18 Jahren im Gefängnis "irreparables Leid" und "extreme Vorurteile" erlitten, hieß es. Die Anklage habe keine Beweise vorgelegt, die die Angeklagten mit der Tat in Verbindung brächten, urteilte die Justiz in Sindh.

Drei der Männer wurden 2020 freigesprochen, und der Brite Saeed Sheikh wurde lediglich als Entführer, nicht aber als Mörder schuldig gesprochen, weshalb das Gericht seine Strafe auf sieben Jahre reduzierte. Nach 18 Jahren Gefängnis galt sie als abgeleistet.

Das Verfassungsgericht als oberste Instanz bestätigte nun mit einer Mehrheit von zwei zu einer Richterstimme die Entscheidung vom Dezember und lehnte eine Berufung der Familie Pearl ab. Daniels Vater, Judea Pearl, erklärte, die Familie sei im Schockzustand und könne nicht glauben, was die Justiz entschieden habe.

Massive Zweifel an einer sauberen juristischen Aufarbeitung des Verbrechens bleiben. Der Verdacht eines Justizirrtums im Falle Pearls hatte bereits im Jahr 2011 durch eine Untersuchung an der amerikanischen Georgetown University Nahrung erhalten. Sie kam damals zu dem Schluss, dass der Reporter nicht von Saeed Sheikh, sondern von Khalid Sheikh Mohammad, dem mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001, ermordet worden war. Er wird in Guantanamo Bay gefangen gehalten.

Die genaue Rolle Saeed Sheikhs, dem die USA nun den Prozess machen wollen, ist weiterhin umstritten, auch wenn wiederholt argumentiert wurde, dass Pearl ohne dessen Mittäterschaft nicht enthauptet worden wäre.

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