Österreich:Wiener Nullnummer

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Hat im Haushaltsentwurf zunächst ein paar nicht ganz unwichtige Nullen vergessen: Österreichs Finanzminister Gernot Blümel. (Foto: picture alliance/dpa)

Finanzminister Gernot Blümel blamiert sich mit seinem Budgetentwurf - übersteht aber einen Misstrauensantrag.

Von Peter Münch, Wien

Als der sozialdemokratische Abgeordnete Kai Jan Krainer am Donnerstagabend in Österreichs Parlament noch einmal das Wort ergriff, war da eine gewisse Ungeduld, vielleicht sogar ein Überdruss auf Seiten der Regierungsmehrheit spürbar. Nach drei Tagen hitziger Debatten über den Staatshaushalt für das Jahr 2020 sollte nun endlich abgestimmt werden. Doch Krainer kündigte frohgemut an, "dass sowohl Grüne als auch ÖVP mir noch dankbar sein werden für diese Wortmeldung". Denn er hatte im Zahlenwerk des Finanzministers einen kleinen, aber folgenschweren Fehler entdeckt. Es fehlten an entscheidender Stelle sechs Nullen - und deshalb wäre fast beschlossen worden, dass Österreichs Regierung im laufenden Jahr nur spärliche 102 000 Euro hätte ausgeben dürfen statt der eigentlich veranschlagten 102 Milliarden Euro.

Ein peinlicher Lapsus war dies - die Sitzung musste vertagt und die Abstimmung auf den nächsten Tag verschoben werden. Doch letztlich war diese Nullnummer nur der Höhepunkt einer Budget-Woche voller Pleiten und Pannen, die den sonst so alerten Finanzminister und Kanzler-Intimus Gernot Blümel am Ende doch etwas zerzaust zurückließ.

Begonnen hatte es damit, dass der ÖVP-Politiker zu Wochenbeginn einen Haushalt vorlegte, von dem jeder wusste, dass die Zahlen zu schön waren, um wahr zu sein. Aufgelistet waren Einnahmen von 81,8 Milliarden und Ausgaben in Höhe von 82,4 Milliarden Euro. Die auf einen ausgeglichen Haushalt hindeutenden Zahlen stammten aus lichter Vorzeit, also der Zeit vor Corona. Die Opposition sah sich verhöhnt: ein "Fake-Budget" sei das, schimpfte die SPÖ, die Neos sprachen vom "Potemkinschen Budget", die FPÖ von einem "Mistkübel-Budget". Für Letzteres hatte Blümel selbst die Vorlage geliefert mit dem Bekenntnis, er habe seine geplante Haushaltsrede als Makulatur erkannt und weggeworfen. Danach hatte er sich jedoch nicht die Mühe machen wollen, neue Berechnungen vorzulegen, weil auch die angesichts der derzeitigen Dynamik am Ende nur falsch sein könnten.

In der auf drei Tage angesetzten Haushaltsdebatte prallten also Regierung und Opposition hart aufeinander. Am Donnerstag schließlich tischte der Minister dem Parlament dann doch noch einen Abänderungsantrag mit neuen Zahlen auf, der offenbar einer nächtlichen Fleißarbeit in seinem Haus entsprungen war. Die Einnahmen blieben optimistischerweise gleich, bei den Ausgaben wurden 20 Milliarden Euro für coronabedingte Maßnahmen draufgeschlagen. Doch am Ende der Addition gingen dann die Nullen aus. Bei der Auszahlungsobergrenze stand schließlich die Zahl 102 000, vergessen wurde wohl in der Eile der Zusatz "in Millionen Euro".

Bis zur verschobenen Abstimmung am Freitagmorgen wurde das korrigiert. Der erste Haushalt der türkis-grünen Koalition ist dann mit Regierungsmehrheit angenommen worden. Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen wurde auch gleich noch ein von der FPÖ eingebrachter und von der gesamten Opposition unterstützter Misstrauensantrag gegen Gernot Blümel abgeschmettert.

Der Finanzminister muss sich aber bald schon wieder an neue Rechenaufgaben wagen. Denn den bereits nach Brüssel gemeldeten Schätzungen seines Hauses zufolge dürften wegen der Corona-Pandemie nicht nur die Ausgaben noch weiter steigen, sondern auch die Einnahmen deutlich einbrechen. Für den Herbst hat Blümel deshalb einen Kassensturz angekündigt.

© SZ vom 30.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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