Österreich:Van der Bellen bleibt Staatsoberhaupt

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Alexander Van der Bellen muss nicht in die Stichwahl (Foto: Heinz-Peter Bader/Getty Images)

Keine Stichwahl nötig: Alexander Van der Bellen kommt bei der Bundespräsidentschaftswahl in Österreich auf 56,1 Prozent. Zweiter wird der FPÖ-Kandidat mit 17,9 Prozent.

Bei der Präsidentschaftswahl in Österreich ist Amtsinhaber Alexander Van der Bellen als klarer Sieger hervorgegangen. Beim Urnengang am Sonntag kam der 78-Jährige laut Berechnungen des SORA Instituts für den ORF auf 56,1 Prozent der Wählerstimmen und damit auf Anhieb auf eine absolute Mehrheit. Der ehemalige Grünen-Chef muss sich daher keiner Stichwahl stellen.

Der zweitplatzierte, Walter Rosenkranz von der rechtspopulistischen FPÖ, kam auf 17,9 Prozent der Stimmen. Insgesamt waren 6,4 Millionen Bürger zur Abgabe ihrer Stimme aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei 66,3 Prozent.

Van der Bellen bedankte sich in einer ersten Videobotschaft zunächst bei den Wählern. Seinen Worten zufolge gilt es jetzt gemeinsam nach vorne zu schauen und sich ohne Verzögerung den wichtigen Themen zu widmen. Sein Hauptziel sei es, verlässlich zu sein, sagte er am Abend in einem ersten Interview mit dem ORF nach der Wahl. Die Menschen hätten ihn in den vergangenen sechs Jahren gut kennengelernt und würden wissen, wie er in Krisen reagiere. "Tatsache ist aber, dass wir in sehr unruhigen Zeiten jetzt schon sind und auch solchen entgegensehen. Der Krieg in der Ukraine, die Energiepreise und die Pandemie melden sich anscheinend zurück. Da wird uns nicht fad", so Van der Bellen.

Noch nie hatten sich so viele Kandidaten um das Amt des Staatsoberhaupts beworben. Die meisten Herausforderer von Van der Bellen waren allerdings bisher eher wenig im politischen Betrieb aufgefallen. Sie galten von vorneherein als Außenseiter. Damit unterschied sich die Ausgangslage zur Wahl 2016. Damals hatte der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer im ersten Wahlgang Van der Bellen deutlich geschlagen und war erst bei der Stichwahl unterlegen. Die Wahl machte auch deshalb Schlagzeilen, weil der zweite Wahlgang wegen Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung auf Weisung des Verfassungsgerichts wiederholt werden musste.

Der 78-jährige Van der Bellen sieht in seinem recht hohen Alter kein Problem. Das Amt gebe ihm durchaus Kraft, sagte er bei der Stimmabgabe am Sonntag. Van der Bellen war direkt und indirekt von allen Parlamentsparteien außer der rechten FPÖ unterstützt worden. Die konservative ÖVP und die sozialdemokratische SPÖ hatten auf das Aufstellen eines eigenen Kandidaten oder einer eigenen Kandidatin verzichtet. Als Grund galt der Umstand, dass ein Wahlkampf gegen einen Amtsinhaber als aussichtslos gilt - und sich die Parteien das Geld dafür lieber sparten. Von Medien wurde kritisch beurteilt, dass zum Bewerberfeld keine Frau zählte.

Nur noch wenig Vertrauen in die Politik

In Österreich hat der Bundespräsident mehr Befugnisse als etwa jener in Deutschland. Neben repräsentativen Aufgaben ist er auch Oberbefehlshaber des österreichischen Heeres und kann die Bundesregierung entlassen. Im Falle eines Notstands kann er auch Notverordnungen erlassen.

Spitzenpolitiker und -funktionäre der konservativen ÖVP, der sozialdemokratischen SPÖ und Grünen zeigten sich erfreut und erleichtert über das Wahlergebnis. Die Österreicher hätten für stabile Verhältnisse gesorgt, so ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratulierte Van der Bellen per Twitter zum Wahlsieg. "Wir stehen in schwierigen Zeiten für ein einiges Europa", schrieb die deutsche Politikerin.

Van der Bellen hatte unter anderem mit dem Slogan "Vernunft und Stabilität in stürmischen Zeiten" für sich geworben. Das Versprechen von Kontinuität hob sich im Wahlkampf deutlich von einem der Hauptthemen einiger seiner Bewerber ab: Die hatten nicht zuletzt die Frage diskutiert, ob sie die Regierung entlassen würden. Der Rechtspopulist Rosenkranz stand für einen radikalen Kurswechsel und lehnt wie seine Partei die EU-Sanktionen gegen Russland ab.

Zwar konnte Van der Bellen mit breiter Unterstützung des politischen und gesellschaftlichen Establishments rechnen, dennoch gehört er zu den weniger populären Bundespräsidenten. Vielen Bürgern, die inzwischen ihre Haltung zur Rolle eines Staatsoberhaupts geändert hätten, sei er in tagespolitischen Fragen zu zurückhaltend gewesen, sagte der Meinungsforscher Christoph Haselmayer. Der 78-Jährige deutete bei seiner Stimmabgabe am Sonntag gegenüber Reportern an, dass er sich eine Veränderung seines Stils in einer zweiten Amtszeit durchaus vorstellen könnte.

Generell ist die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber der Politik aktuell sehr negativ. In einer im ORF am Sonntag vorgestellten Umfrage äußerten sich nur 16 Prozent der Bürger zufrieden mit der Politik, 81 Prozent sind demnach "enttäuscht" oder gar "verärgert". Die Entwicklung in Österreich beurteilen laut Umfrage inzwischen 64 Prozent als negativ - 2016 waren es 52 Prozent. "Das ist nochmal eine deutliche Verschärfung", sagte der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier im ORF.

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