Österreich:Und vergib ihnen ihre Schuld

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Eine Website ruft zum Gebet für Politiker auf.

Von Peter Münch

Dass Politiker den Segen Gottes besonders dringend brauchen, hat schon der Apostel Paulus gewusst. Im 1. Brief an Timotheus mahnt er, es solle gebetet werden "für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können". So ist es vielleicht kein Wunder, dass an die Paulus-Worte in diesen Tagen gerade in Österreich wieder erinnert wird.

Denn das ruhige Leben wird dort derzeit durch politische Wirren bedroht. Das hat zur Ausschreibung einer Neuwahl geführt - und zu einer Gebetsbewegung für alle Obrigkeit. Gut 2000 Jahre nach Paulus ist die natürlich digital: Unter www.prayforaustria.at kann man jetzt per Klick für den gestürzten Kanzler Sebastian Kurz oder irgendjemand anderen aus dem politischen Personal der Republik beten. Wer sich registriert, soll seinen Kandidaten dann mit Gedanken und Worten bis zur Wahl im September begleiten.

Initiatorin der in dieser Woche gestarteten Online-Gebetsplattform ist Hélène Cuenod, 45, eine in der Schweiz geborene Unternehmensberaterin mit Wohnsitz in Wien. Die Idee kam ihr, nachdem sie das Ibiza-Video mit dem früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gesehen und danach den Zerfall der Regierung beobachtet hat. "Da habe ich gedacht, an ihrer Stelle wäre ich froh, wenn jemand für mich beten würde", sagt sie. Beunruhigt hat sie aber auch die durch die politische Krise ausgelöste Verunsicherung der Menschen - "und wenn ich verunsichert bin, dann hole ich mir Halt bei Gott".

Cuenod bezeichnet sich selbst als "engagierte katholische Christin mit einer Nähe zu vielen Freikirchen". Die Gebetsplattform, das betont sie, soll "überkonfessionell und überparteilich" sein. "Wir beten für alle", sagt sie, "und es ist uns wichtig, dass sich alle Christen bei uns vertreten fühlen." Als Unterstützer werden unter anderem das Institut für Ehe und Familie der Österreichischen Bischofskonferenz angeführt, das päpstliche Missionswerk Missio und die Evangelische Allianz, ein evangelikales Netzwerk.

Mehr als 400 "aktive Beter" haben sich in den ersten Tagen auf der Website registriert. Allerdings hatten nicht alle fromme Absichten. Über die Namenslisten, die anfangs eingesehen werden konnten und inzwischen blockiert sind, haben einige ihre eigenen Botschaften loswerden wollen wie "Kirchenaustrittjetzt", "DerTeufelsollEuchholen" oder "NieMehrSebastianKurz". Die Bet-Bereiten aber haben die Auswahl aus einer Liste von 273 Politikern und Politikerinnen vom Bundespräsidenten abwärts bis zu Hinterbänklern im Parlament. Wer selbst keine Präferenzen hat, dem wird per Zufallsgenerator ein Politiker zugelost, für dessen Stärkung oder Besserung er beten kann. Zur Auswahl steht alles vom "freien Gebet" bis zum "Rosenkranz", vom "Lobpreis" bis zur "Fürbitte".

Mit dem Mausklick allein ist es aber nicht getan. "Das ist nur ein Tool", erklärt Cuenod, "das Gebet findet dann natürlich nicht online statt, sondern im stillen Kämmerlein, im Gebetskreis oder wie auch immer man beten will." Kurz vor der Wahl soll es noch ein großes gemeinsames Gebet im Wiener Stephansdom geben. Nach der Wahl dürften sich dann wie gewohnt wieder die Politiker gegenseitig ins Gebet nehmen.

© SZ vom 12.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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