Österreich:Schlupflöcher im Visier

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Die österreichische Rechnungshof-Chefin Margit Kraker will schärfere Kontrollen. (Foto: Klaus Vyhnalek)

Seit der Veröffentlichung des Ibiza-Videos, in dem der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auch über verdeckte Wege der Parteienfinanzierung spricht, hat sich eine lebhafte Debatte über strengere Regeln entwickelt.

Von Peter Münch, Wien

Der Wahlkampf zur vorgezogenen Neuwahl am 29. September hat noch nicht richtig begonnen, doch der Streit ums Geld ist schon voll entbrannt. Seit der Veröffentlichung des Ibiza-Videos, in dem der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auch über verdeckte Wege der Parteienfinanzierung spricht, hat sich eine lebhafte Debatte über strengere Regeln entwickelt. Geprägt wird sie zwar oft von gegenseitigen Vorwürfen. Aber es liegen auch konkrete Vorschläge für mehr Transparenz und zur Schließung von Schlupflöchern auf dem Tisch.

Angeheizt worden ist die Diskussion noch durch einen Vorfall bei der ÖVP von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, die vorige Woche zugeben musste, im Wahljahr 2017 weit mehr Spenden erhalten zu haben als zunächst angegeben. Vor allem waren darunter Geldzuweisungen des Tiroler Industriellen Klaus Ortner, Großaktionär beim Baukonzern Porr, in Höhe von 438 000 Euro. Grundsätzlich müssen Spenden von damals über 50 000, heute 51 000 Euro umgehend an den Rechnungshof gemeldet werden. In diesem - und auch in anderen - Fällen war das jedoch dadurch umgangen worden, dass die Spenden gestückelt wurden, hier in neun Tranchen jeweils unter 50 000 Euro. Das scheint dann in der Regel erst rund zwei Jahre später in den Rechenschaftsberichten der Parteien an den Rechnungshof auf.

Unter Druck ist die ÖVP schließlich in die Offensive gegangen und hat offengelegt, dass sie auf Bundes-, Landes- und Gemeindebene 2017 insgesamt 4,4 Millionen Euro an Spenden eingenommen hat. Verbunden hat ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer dieses späte Geständnis mit der Forderung an die anderen Partien, es der ÖVP "gleichzutun" - womit er offenkundig nicht die Verschleierung von Großspenden aus der Industrie meinte, sondern den plötzlichen Transparenzanfall.

Deutlich wird dabei, dass die Parteien je nach eigenem Interesse etwas anderes meinen, wenn sie von einer Reform der Parteien- und Wahlkampffinanzierung sprechen. Im Plenum des Parlaments soll das Thema in der nächsten Woche behandelt werden, und es liegen insgesamt 15 verschiedene Anträge dazu vor. So will die SPÖ zum Beispiel ein Verbot von Großspenden über 10 000 Euro festschreiben, die FPÖ plädiert für eine Obergrenze von 3500 Euro. Die Liste Jetzt möchte Parteispenden von Unternehmen generell verbieten, um dem Verdacht der Käuflichkeit von Politik entgegenzuwirken. Die Neos dagegen, die vom Industriellen Hans Peter Haselsteiner mit hohen Summen gefördert werden, halten Spenden erklärtermaßen für "nichts Unanständiges". Unanständig sei nur die Verschleierung der Herkunft, weshalb sie für absolute und zeitnahe Transparenz plädieren. Die ÖVP hält sich beim Spenden-Thema bedeckt und fordert lieber eine Kürzung der staatlichen Parteienförderung. Die Grünen schließlich verlangen mehr Kontrollkraft für den Rechnungshof und die Möglichkeit strafrechtlicher Sanktionen.

Für Letzteres macht sich auch die Präsidentin des Rechnungshofs Margit Kraker stark. Schon kurz nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos durch SZ und Spiegel hat sie einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, der dem Rechnungshof eine wirkliche Kontrolle der Parteifinanzen und die Verhängung von Strafen erlauben soll. Gefordert werden darin auch strenge Auflagen für Vereine, wie sie von Strache auf Ibiza erwähnt worden waren, um Parteispenden "am Rechnungshof vorbei" zu leisten. In der ORF-Nachrichtensendung ZiB 2 verlangte Kraker am Montagabend eine schnelle und umfassende Neuregelung noch vor der Wahl im September.

Der Politikwissenschaftler Hubert Sickinger glaubt allerdings nicht daran, dass es schnell zu einer grundsätzlichen Änderung kommen kann. Zwar müssten die Parteien "etwas liefern", sagte er zur SZ . "Aber da kommt sicher wieder irgendein Torso raus."

© SZ vom 26.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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