Österreich:Gesinnungsfrage

Lesezeit: 2 min

(Foto: JOE KLAMAR/AFP)

In Österreich attackiert ein hochrangiger ÖVP-Politiker einen renommierten Journalisten wegen dessen politischer Einstellung. Was steckt dahinter?

Von Cathrin Kahlweit

Gesinnung ist ein schönes Wort, man kann sich auf die Suche nach dem Sinn darin machen und diesen, wenn alles gut geht, auch finden. In Wikipedia heißt es dazu, Gesinnung sei die "durch Werte und Moral begrenzte" Grundhaltung beziehungsweise Denkweise eines Menschen, und auch darin kann ich erst einmal nichts Schlechtes finden. Was, wenn die Menschen ihr Handeln und ihr Denken nicht durch Werte und Moral begrenzten? Thomas Hobbes wüsste mehr dazu.

Qualität mag ich hingegen weniger, auch wenn das auf den ersten Blick verwundern mag, denn wer schätzte keine Arbeitsqualität oder keine Qualitätsarbeit? Aber mein früherer Journalismuslehrer an der Henri-Nannen-Schule, Wolf Schneider, pflegte zu sagen, Qualität komme von Qual. Und ich quäle mich nun mal nicht gern. Schneider warnte auch davor, sich jemals auf Wikipedia zu verlassen - aber das tat er, weil er als Mann alter Schule die Encyclopedia Britannica vermutlich ständig auf seinem Schoß (er würde sagen: komplett im Kopf) hatte.

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Warum ich Sie mit alledem belästige? Nun, Bernhard Ebner, Landesgeschäftsführer der niederösterreichischen ÖVP, hat vor wenigen Tagen einen geschätzten Kollegen von mir in der Weise angeflegelt, dass man meinen musste, er sei von Sinnen. Weil sich der Chefredakteur des renommierten Falter, Florian Klenk, in einem Interview als "linksliberal" bezeichnet hatte, informierte Ebner öffentlich, nun sei Klenk aufgeflogen: Er habe damit eine "Gesinnung" preisgegeben und könne forthin nicht mehr als "Qualitätsjournalist" angesehen werden.

Man weiß nicht so genau, was Ebner in Schock versetzte. Das "links" in der Selbstzuschreibung Klenks, weil bei dieser "Gesinnung" soziale Gerechtigkeit und Gleichheit im Vordergrund stehen? Oder das "liberal", weil qua definitionem "Autonomie, Verantwortung und die freie Entfaltung der Persönlichkeit" inkludiert sind und man so was in Niederösterreich nicht kennt? Und wie kommt ein Mann wie Ebner intellektuell erst mit dem Wort "linksliberal" zurecht - als einer, der ein Befürworter einer Koalition aus Rechten und Rechtsextremen ist?

Aber natürlich ist die Causa nicht so lustig, wie ich hier tue. Sie ist hochpolitisch, weil der Landesgeschäftsführer einer Partei, die vor einem halben Jahr ihre Seele an der Garderobe des Machterhalts an die Blauen verkauft hat, der Welt zu erklären versucht, was, wie und vor allem wo man denken und sinnen darf. In Medien also offenbar nicht. Oder zumindest nicht so, wie es der ÖVP nicht gefällt. Denn es gibt ja durchaus Publikationen und Sender in Österreich, die von Menschen gefüllt und geführt werden, die rechts oder rechtsliberal sind. Ihnen spricht Ebner ihren Anspruch, Qualitätsmedien zu sein, aber nicht ab. Woraus folgt: Mit Presse- und Meinungsfreiheit, mit den Grundsätzen einer freien Persönlichkeitsbildung und der Verfassung, die das alles schützt, kann Ebners Intervention nichts zu tun haben. Gesinnung ist vielmehr dann schlecht, wenn sie nicht rechts ist.

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