Österreich:Berichte gegen Bares

Lesezeit: 3 min

200 Millionen Euro geben staatliche Stellen in Österreich pro Jahr für Anzeigen aus. Die Hälfte entfällt auf drei Boulevardbätter, darunter die "Kronen Zeitung". (Foto: Joe Klamar/AFP)

Wie sich Politiker eine positive Darstellung in einflussreichen Medien des Landes erkaufen. Es geht um Millionen.

Von Alexandra Föderl-Schmid

"Wer zahlt schafft an." Dieser Satz beschreibt sehr treffend die in Österreich übliche Erwartungshaltung von Politikern, mit staatlich finanzierten Anzeigen Einfluss auf Berichterstattung in den Medien nehmen zu können. Die Aussage taucht wortwörtlich und mit nicht ganz einwandfreier Interpunktion in einem Chat von Thomas Schmid auf, bis zu seinem erzwungenen Abgang im Juni Chef der staatlichen Beteiligungsgesellschaft Öbag. Die Internet-Konversationen Schmids bilden die Grundlage für die Hausdurchsuchungen im Wiener Kanzleramt und in der ÖVP-Parteizentrale am vergangenen Mittwoch. Schmid gilt als enger Vertrauter von Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Schmid war laut Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft derjenige, der zugunsten von Kurz manipulierte Umfragen in der Tageszeitung Österreich untergebracht haben soll, die den österreichischen Medienunternehmern Helmuth und Wolfgang Fellner gehört. Als Gegenleistung soll das Boulevardmedium Anzeigen im Wert von 1,1 Millionen Euro erhalten haben. Das Medium weist den Vorwurf der gekauften Berichterstattung zurück und spricht von "Missverständnissen", - es sollen lediglich 800 000 Euro gewesen sein.

Kostenlos abonnieren
:SZ Österreich-Newsletter

Was ist los in Österreich? Alles zu Österreich in der SZ. Jeden Freitag per Newsletter. Gleich kostenlos anmelden.

Eine Gegenleistung für eine Anzeige? Für Kurz offenbar normal

Dass sich Politiker mit Anzeigen - in Österreich Inserate genannt - positive Berichterstattung kaufen wollen, hat Tradition. Neu ist, dass dieses System, für das der Begriff Inseratenkorruption geprägt wurde, so klar benannt wird. Vom Moderator der Nachrichtensendung ZiB2 am Mittwochabend darauf angesprochen, ob er von einer Gegenleistung für diese vom Steuerzahler finanzierten Anzeigen in Österreich wisse, antwortete Bundeskanzler Kurz: "Ich hoffe sehr, dass es eine Gegenleistung gab, nämlich Berichterstattung und ein Inserat, das ist nämlich der Preis, den man bezahlt." Ein Inserat als Gegenleistung und Preis für Berichterstattung - dieser Satz offenbart das Selbstverständnis österreichischer Politiker und die den Medien zugedachte Rolle.

Zumindest die Boulevardmedien - neben Österreich noch die Kronen Zeitung und Heute - spielen mit. Die redaktionelle Unabhängigkeit fördert nicht gerade, dass die Eigentümer gleichzeitig Chefredakteure oder Geschäftsführer sind. Jedes Jahr fließen Dutzende Millionen auf Kosten der Steuerzahler an die Medien. 47,5 Millionen Euro gab die Regierung aus ÖVP und Grünen im Vorjahr aus - so viel wie noch keine Regierung vor ihr.

Doch damit nicht genug: Die Anzeigen der staatlichen Stellen - wozu neben Ministerien, Bundesländern und Gemeinden auch staatsnahe Unternehmen und Organisationen gehören - summieren sich in Österreich auf rund 200 Millionen Euro pro Jahr. Laut einer Analyse des Medienhauses Wien entfällt auf die drei Boulevardmedien Österreich, Kronen Zeitung und Heute mehr als die Hälfte dieser Ausgaben.

Dass man diese Zahlen überhaupt kennt, ist der "Inseratenaffäre" geschuldet. Vor zehn Jahren ermittelte die Staatsanwaltschaft Wien bereits einmal gegen einen Bundeskanzler. Der SPÖ-Politiker Werner Faymann soll sich während seiner Zeit als Infrastrukturminister Anzeigen von den Österreichischen Bundesbahnen und der Autobahnbetreibergesellschaft Asfinag in der Kronen Zeitung bezahlen haben lassen. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein.

Eine Konsequenz war jedoch, dass seit 2012 öffentliche Stellen jedes Quartal ihre Werbeausgaben an die Medienbehörde RTR melden müssen. Die Daten werden regelmäßig veröffentlicht, aber am System wurde nichts verändert - auch nicht, als im Vorjahr die EU-Kommission "Bedenken hinsichtlich einer politischen Einflussnahme" äußerte, weil es keine Regeln für die Vergabe von Anzeigen gebe.

Kriterien gibt es dagegen für die Verteilung der Presseförderung, die seit 1975 existiert und die im Vorjahr neun Millionen Euro ausmachte. Die Mittel werden etwa für die Unterstützung von Korrespondenten oder des Vertriebs ausbezahlt. Im Vorjahr wurden zusätzlich weitere 9,7 Millionen Euro als Corona-Sonderförderung ausgeschüttet. Zählt man die Summen aus beiden Töpfen zusammen, profitierten auch hier Kronen Zeitung, Österreich und Heute am meisten.

"Ein Sumpf aus systemischer Korruption"

Einige Informationen über diese zweifellos fragwürdige Symbiose gelangten in den vergangenen Monaten an die Öffentlichkeit. Ein bei der Kronen Zeitung ausgestiegener Ressortleiter, Thomas Schrems, behauptete im Sommer, dass negative Berichte über ein der SPÖ nahestehendes Unternehmen mit dem Verweis auf eine Gefährdung von Anzeigen nicht erscheinen durften. Schrems sieht, wie er im Interview mit der linksliberalen Wochenzeitung Falter sagte, im Zusammenspiel von Boulevard und Politik "ein subtil gewobenes Geflecht der wechselseitigen Begünstigung, ein Sumpf aus systemischer Korruption".

Der Verleger der Mediengruppe News, Horst Pirker, informierte im Juni die Öffentlichkeit, dass nach einem kritischen Artikel über die ÖVP das Finanzministerium Werbeaufträge im Wert von rund 200 000 Euro storniert habe. "Mit Geben und Entziehen von aus Steuergeld finanzierten Inseraten werden Medienunternehmen belohnt, sediert oder bestraft", sagt Pirker in einem Interview mit der Tageszeitung Standard. Jede Regierung habe das versucht. Unter Kurz habe diese Strategie aber "eine neue Dimension erreicht".

Das sieht auch dessen Vertrauter Schmid nicht anders. Über den Deal mit Österreich schreibt er in einem seiner Chats in seinem eigenwilligen Deutsch: "So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen. Geniales investment. Und Fellner ist ein Kapitalist."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: