Österreich:Mal wieder Stau am Brenner

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Noch ist der Brenner frei, aber wie lange noch? Österreich will die Grenzkontrollen verschärfen. (Foto: Jan Hetfleisch/dpa)

Die Ankündigung, die Grenzen zu Italien stärker zu kontrollieren, sorgt für Ärger.

Von Cathrin Kahlweit

Der Südtiroler Landeshauptmann war wenig begeistert. Arno Kompatscher, ein in Wien gern gesehener Gast, ärgerte sich über die Freunde aus Österreich. Seit Langem arbeite man an einer "Wiedervereinigung der Tiroler Landesteile auf europäischer Ebene, ohne nationalstaatlich zu denken", schimpft er im ORF - und jetzt das. Eine neue Grenze, schon wieder. Die virtuelle Wiedervereinigung von Südtirol und Tirol, unter den Habsburgern im Kaiserreich noch eine historische Einheit, drohe an der Flüchtlingsfrage zu scheitern, heißt es in Norditalien - oder besser an der Antwort, die man in Wien darauf hat. Denn die österreichische Bundesregierung denkt über ein Grenzregime an den Übergängen zu Italien nach, wie man es an der Südgrenze zu Slowenien in den vergangenen Wochen bereits errichtet hatte. Konkret heißt das: Unter anderem am Brenner könnte demnächst ein "Leitsystem" samt verschärften Kontrollen und systematischem Einreise-Check für Flüchtlinge entstehen.

Bei einem Treffen der Landeschefs von Tirol, Südtirol und des Trentino am Montag ging es schon an konkrete Planungen für den Ernstfall: den Rückstau. Denn in Tirol, Kärnten, Steiermark könnte sich einiges ändern. "Ich schließe nicht aus, dass es weitere Zäune geben muss", so Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Für einige Übergänge sei man bereits in die Details gegangen, hatten Fachleute in Tirol angekündigt. Die Entscheidung, wann der "Endausbau" starten wird, soll aber erst in den nächsten Tagen in Wien fallen. In acht bis zehn Wochen schon könne, heißt es in Innsbruck, das "Grenzmanagement hochgefahren werden". Es werde, je nach den Umständen, wohl nicht überall einen Zaun geben, aber doch zumindest bauliche Einrichtungen, Gitter, Sperrsysteme.

Es ist wie Domino: Macht das eine Land dicht, drängen sich die Flüchtlinge im anderen

Vorzeige-Objekt und Modell für die neuen Pläne ist Spielfeld, wo ein vier Kilometer langer Zaun gebaut worden ist. Der "Vollbetrieb", mit dem über Einreise oder Abweisung von bis zu 11 000 Flüchtlingen täglich entschieden werden kann, soll nach einem kurzen Einsatztraining am Donnerstag beginnen. Tatsächlich kommen derzeit in Spielfeld durchschnittlich nicht mehr als 1000 Menschen pro Tag an.

Die Idee für weitere Grenzanlagen, unter anderem auch am Karanwankentunnel, kursiert in Wien schon seit Längerem. Die Regierung aus SPÖ und ÖVP hatte ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik zuletzt massiv verschärft. Von der weit über Österreichs Grenzen hinaus beachteten Ankündigung, man werde eine generelle Obergrenze für Asylbewerber von maximal 37 500 Menschen für das Jahr 2016 einziehen, ist zwar in den vergangenen Wochen nicht mehr viel zu hören gewesen, weil die rechtliche Grundlage wackelt. Stattdessen hat man sich vorerst auf eine "tägliche Obergrenze" jener geeinigt, die in Spielfeld und an den Übergängen zu Italien ins Land gelassen werden sollen. Darauf reagierte am Sonntag wiederum Slowenien mit der Ankündigung, man werde entsprechend dem österreichischen Kontingent auch nur noch etwa 500 Menschen täglich durchlassen; Kroatien sei schon informiert. An der Grenze von Italien nach Tirol waren im vergangenen Jahr insgesamt knapp 50 000 Flüchtlinge über den Brenner nach Österreich gelangt. Aber nicht nur der Tiroler Landespolizeidirektor Helmut Tomac rechnet wegen der Schließung der Balkanroute mit explodierenden Zahlen: "Laut unseren Informationen warten rund 150 00 Personen im nordafrikanischen Raum auf die Überfahrt nach Italien." Auch In Wien ist man alarmiert. "Im schlimmsten Fall", hatte Außenminister Sebastian Kurz unlängst gesagt, müssten die Flüchtlinge eben direkt an Österreichs Grenze gestoppt werden; er setze aber darauf, dass Mazedonien und andere Staaten "Hilfe annehmen".

Die Wirtschaft warnt schon, dass der Brenner offen bleiben müsse

Derweil ist die Empörung über die Wiener Pläne in Italien nicht nur in Südtirol, sondern im ganzen Land groß. Premier Matteo Renzi hatte bei Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann protestiert; der versicherte am vergangenen Freitag bei einem Treffen, man werde sich im Detail absprechen. Die italienische Rechte schimpft derweil, die Regierung kniee "vor dem kleinen Österreich", das jetzt dafür sorge, dass der Migrantenstrom "in Italien stecken bleibt"; das Trentino könne sich in Lampedusa verwandeln. Ganz andere Sorgen treibt die Wirtschaft um - und beileibe nicht nur die österreichische. Wenn das Nadelöhr Brenner verstopft sei, dann drohten tägliche Millionenverluste. Und ewige Staus.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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