Österreich:Knapper Ausgang bei Präsidenten-Wahl

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Kopf-an-Kopf-Rennen: Laut Hochrechnungen liegen der Rechtspopulist Norbert Hofer und der ehemalige Grünen-Vorsitzende Alexander Van der Bellen fast gleichauf. Am Ende entscheiden wohl die Briefwähler.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die Entscheidung über den nächsten österreichischen Bundespräsidenten ist am Sonntagabend zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen geworden. Der Ausgang der Abstimmung wurde europaweit mit großer Spannung verfolgt, weil in dem 45 Jahre alten Norbert Hofer von der FPÖ ein Rechtspopulist an die Spitze eines EU-Landes gelangen könnte. Laut vorläufigem amtlichem Ergebnis erreichte Hofer zwar 51,9 Prozent der Stimmen und sein Kontrahent, der ehemalige Grünen-Vorsitzende Alexander Van der Bellen, 48,1 Prozent. Allerdings berücksichtigt dieses Ergebnis noch nicht die fast 900 000 Briefwählerstimmen, die erst im Laufe dieses Montags ausgezählt werden. Laut Prognose des ORF liegt bei diesen Stimmen Van der Bellen, der als Unabhängiger angetreten war, deutlich vorne. Deshalb sagte der Sender ein Endergebnis vorher, dass beide Kandidaten bei 50 Prozent sieht. Am Ende könnten nur ein paar tausend Stimmen entscheiden, wer der nächste Präsident Österreichs wird. Die Wahlbeteiligung betrug 71,8 Prozent. Etwa 14 Prozent der knapp 6,4 Millionen Berechtigten machten von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch. Hofer kommentierte die Pattsituation am Abend mit den Worten: "Egal, wer gewinnt, die Aufgabe ist, Österreich zu vereinen."

Der FPÖ-Politiker hatte im ersten Wahlgang vor einem Monat 35 Prozent der Stimmen geholt, Van der Bellen war auf 21,3 Prozent gekommen. Die Bewerber der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP landeten vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise, steigender Arbeitslosigkeit und stockender Reformen völlig abgeschlagen bei jeweils elf Prozent.

Damit schaffte es erstmals seit 1945 kein Kandidat von SPÖ und ÖVP in den Stichentscheid.

Hofer, gelernter Flugzeugingenieur, hatte sich im Wahlkampf als "Kandidat der Menschen" präsentiert, der in der gegenwärtigen Flüchtlingskrise Österreichs Kultur und Werte verteidigen will. Der Vizepräsident des Nationalrats gilt als das freundliche Gesicht der rechtspopulistischen FPÖ. Er ist ein enger Vertrauter von Parteichef Heinz-Christian Strache, der seit dem Tod des langjährigen Vorsitzenden Jörg Haider 2008 bemüht ist, das Image der FPÖ aufzupolieren. Trotz seines freundlichen Auftretens hat Hofer allerdings angekündigt, seine Vollmachten stärker zu nutzen als bisherige Amtsinhaber. Wie in Deutschland nimmt der Bundespräsident in Österreich weitgehend repräsentative Aufgaben wahr, allerdings kann er ohne nähere Begründung die Regierung entlassen. Nach Nationalratswahlen hat er zudem theoretisch freie Hand bei der Nominierung des Bundeskanzlers und darf einzelne Minister ablehnen, die er für ungeeignet hält. Auch ist er für die Überprüfung neuer Bundesgesetze zuständig.

Der 72 Jahre alte Wirtschaftsprofessor Van der Bellen warnte deshalb, Hofer könnte im Fall seines Wahlsiegs die derzeitige Regierung aus SPÖ und ÖVP auflösen, um einer "blauen Republik" den Weg zu ebnen. Hofer betonte daraufhin, die Entlassung der Regierung sei die letzte Lösung.

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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