Österreich:Gekürzte Hilfen

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Österreich will die Kindergeld-Regeln für Ausländer aus Osteuropa ändern. Sie sollen für ihre noch im Heimatland lebenden Kinder weniger Familienbeihilfe erhalten. Das Wiener Vorgehen ist europarechtlich allerdings höchst umstritten.

Von Peter Münch, Wien

In Österreich bekommen EU-Ausländer aus Osteuropa künftig weniger Familienbeihilfe für ihre noch im Heimatland lebenden Kinder. Im Parlament kam dazu am Mittwoch eine sogenannte Indexierung zur Abstimmung, mit der die Höhe des Kindergelds an den Lebensstandard im jeweiligen Land angepasst wird. Österreichs Regierung rechnet dabei mit Einsparungen von mehr als 100 Millionen Euro jedes Jahr.

Weil dieses Vorgehen europarechtlich höchst umstritten ist, muss sie allerdings damit rechnen, dass gegen Österreich ein EU-Vertragsverletzungsverfahren in Gang kommen könnte. In Kraft treten soll die neue Regelung zum 1. Januar, das wäre also unmittelbar nach dem Ende der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft.

Die Zahlungen an die Verhältnisse in den Länder anzupassen, ist ein Wiener Prestigeobjekt

Die Indexierung des Kindergelds ist ein Prestigeprojekt der rechtskonservativen Regierung aus ÖVP und FPÖ, die stets vor einer "Zuwanderung in die Sozialsysteme" warnt. Tatsächlich hat sich die Zahl der im Ausland lebenden Kinder, für die in Österreich Geld gezahlt wird, in den vergangenen 15 Jahren fast verhundertfacht. Aktuell werden für rund 132 000 Kinder nach Regierungsangaben jährlich etwa 291 Millionen Euro ausgegeben.

In der Praxis erhalten bei der Indexierung Kinder in nordeuropäischen Ländern und in der Schweiz sogar ein wenig mehr Geld, während die Leistungen für osteuropäische Länder, aus denen weitaus mehr Betroffene stammen, deutlich gekürzt werden. Allein 50 Prozent der Zahlungen gehen derzeit nach Ungarn und in die Slowakei. 40 Prozent fließen nach Polen, Rumänien, Tschechien und Slowenien. Aus den meisten dieser Länder war vorab heftiger Protest gegen die österreichische Neuregelung gekommen.

Die Regierung in Wien prescht nun dennoch europaweit mit der Indexierung vor. Mit Unterstützung darf sie dabei unter anderem auch aus Berlin rechnen. In Deutschland gibt es mit Verweis auf ausufernde Kosten entsprechende Kürzungsforderungen sowohl vonseiten der SPD wie von der Union, zudem auch noch vom Städte- und Gemeindebund. Die Bundesregierung hatte im April 2017 Eckpunkte beschlossen, die eine Kindergeld-Kürzung vorsehen, sobald das EU-Recht dies zulässt.

Mit einer Änderung auf EU-Ebene ist allerdings so bald nicht zu rechnen. In dieser Frage verläuft nämlich ein tiefer Riss zwischen den reicheren und den ärmeren Mitgliedstaaten. Zuletzt hatte sich im August 2018 im Rat der Sozialminister eine Mehrheit gegen die Indexierung ausgesprochen. Die EU-Kommission hat bereits eine eingehende Prüfung der österreichischen Regelung angekündigt, die in ein Vertragsverletzungsverfahren münden könnte.

Aber auch innenpolitisch gibt es Kritik. Die Opposition befürchtet, dass solche Kürzungen beim Kindergeld zu einem Pflegenotstand führen könnten, weil ein Großteil des Pflegepersonals aus Osteuropa stamme. Angeschlossen hat sich dem auch Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Das Staatsoberhaupt verweist zudem auf die "europarechtlichen Bedenken".

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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