Österreich:Fahrt ins Grüne

Lesezeit: 2 min

Regierungsklausur in Österreich (von links): Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz und Umwelt, Vizekanzler Werner Kogler (beide Grüne), Kanzler Sebastian Kurz und Gernot Blümel, Finanzminister (beide ÖVP). (Foto: Roland Schlager/dpa)

In Wien startet die neue Regierung mit einer Bustour zur Klausur. Die ÖVP gibt sich an der Seite der Ökopartei betont umweltbewusst.

Von Peter Münch, Krems

Um Botschaften geht es, und die erste Botschaft ist der Bus: Am Ballhausplatz vor dem Wiener Kanzleramt steht er bereit, und demonstrativ gut gelaunt steigt Österreichs komplette Regierungsmannschaft samt Begleittross ein. Die Stimmung ist wie bei einem Schulausflug, da sitzt der fröhliche Sebastian neben dem leicht zappeligen Werner. Doch statt Lehrer- gibt es Kamerabegleitung, und nicht in eine Jugendherberge geht die Fahrt, sondern in ein Spa-Hotel in Krems an der Donau zur ersten Klausurtagung der türkis-grünen Koalition. Anders als in früheren Zeiten bleiben die Dienstwagen dafür in der Garage. Die gemeinsame Busfahrt ist das Signal, dass die Regierung jetzt ganz umweltfreundlich unterwegs ist, und sparsam ist man dabei obendrein.

Damit sind die großen Themen umrissen, um die es in den beiden Kremser Klausurtagen geht: Zum einen ums Umsteuern bei den Steuern, zum anderen ums Klima - und das gleich auf zwei Ebenen, der globalen und der innerkoalitionären. Schließlich muss sich dieses vor drei Wochen geschlossene Bündnis der politischen Antipoden zum Regieren erst einmal richtig zusammenraufen. Die Klausur dient dabei, wie es auch österreichisch heißt, dem Teambuildung. Toleranz gilt dabei als Grundtugend: Man will sich nicht gegenseitig bekehren, sondern jeder soll auf seinem angestammten Feld für Erfolge sorgen.

Gleich in der Anfangszeit jedoch ist zu beobachten, dass die 38-Prozent-Partei ÖVP bisweilen recht ungeniert ihre Überlegenheit gegenüber der grünen 14-Prozent-Partei ausspielt. Alle paar Tage wird ein neues Reizthema in die Debatte geworfen: von der Sicherungshaft über eine Ausweitung des Kopftuchverbots bis zu neuen, grenznahen Asylzentren. All das ist potenzieller Konfliktstoff für die neue Koalition. In Krems sind deshalb beide Seiten sehr darauf bedacht, Harmonie zu zeigen.

Vor die Presse treten die Minister stets im gemischten Doppel: Der von der ÖVP gestellte Außenmister Alexander Schallenberg zusammen mit dem grünen Gesundheitsminister Rudi Anschober, wenn es um die Abwehr des Coronavirus geht. ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel und die grüne "Frau Klimaschutzminister" Leonore Gewessler zum Thema "ökosoziale Steuerreform". Und ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und sein grüner Vizekanzler Werner Kogler, wenn es ums große Ganze und vor allem ums Atmosphärische geht. Kogler besteht dabei darauf, dass er sich bislang keineswegs eingeengt fühlt vom Partner. "Ich brauche nicht mehr Platz", sagt er, "und ich habe auch trotz der CO2-Belastung genügend Sauerstoff zum Atmen. Kurz nutzt gern die Gelegenheit, auch hier eine Gemeinsamkeit herauszustreichen: Auch er atmet und hat, wie er sagt, "genug Sauerstoff".

Weitgehende Einigkeit wird in Krems jedoch nicht nur im Atmosphärischen, sondern auch bei den Inhalten demonstriert. Entlang des Anfang Januar vorgestellten Koalitionsvertrags werden die ersten Schritte der angekündigten Steuerreform beschlossen. Kurz betont dabei die "Entlastung der arbeitenden Menschen". Im nächsten und übernächsten Jahr sollen die unteren drei Steuerstufen abgesenkt werden. Die Gesamtkosten dafür beziffert er mit vier Milliarden Euro. Die Gegenfinanzierung bleibt noch unklar; der Finanzminister spricht vom "Sparen im System", überdies soll der Spitzensteuersatz von 55 Prozent nicht gesenkt werden. Für die zur Freude der Wirtschaft versprochene Absenkung der Körperschaftssteuer gibt es zunächst noch keinen Termin.

Nach Kurz präsentiert Kogler den "Einstieg in die ökosoziale Umsteuerung". Bereits fürs nächste Jahr vorgesehen sind sechs konkrete Maßnahmen von einer einheitlichen Flugticketabgabe in Höhe von zwölf Euro über eine Ökologisierung der Pendlerpauschale bis zu Maßnahmen gegen den Transitverkehr und Tanktourismus. Eine Taskforce soll darüber hinaus bis 2022 den Klimaschutz breit im Steuersystem verankern und eine "CO2-Bepreisung" festlegen.

So kann jeder der beiden Partner auf erste Erfolge verweisen - die konservative ÖVP und die Grünen demonstrieren in Krems ihre Handlungsfähigkeit. Das Modell dürfte dann auch in Berlin auf großes Interesse stoßen. Kurz kommt zu Beginn der nächsten Woche nach Deutschland. Dort werden Bundeskanzlerin Angela Merkel und die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer gewiss von ihm wissen wollen, wie das so ist, mit den Grünen in einem Bus zu sitzen.

© SZ vom 31.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: