Österreich:Ein bisschen Krawall muss sein

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„Das Recht hat der Politik zu folgen“, sagt Innenminister Herbert Kickl. (Foto: Hans Punz/dpa)

Die FPÖ stichelt gegen den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung - dahinter steht ein klares Kalkül.

Von Peter Münch, Wien

Es war der falsche Satz zur falschen Zeit, am falschen Ort noch obendrein: "Niemals haben wir uns damit abzufinden, dass Gesetze uns in unserem Handeln behindern", rief die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch in dieser Woche im österreichischen Parlament aus. Auf der Tagesordnung stand da ein Misstrauensantrag gegen den FPÖ-Innenminister Herbert Kickl. Der Anlass: Kickl hatte in der Vorwoche forsch erklärt, "dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht". Den Misstrauensantrag, es war schon der sechste in seiner gut einjährigen Amtszeit, hat der Minister wieder mal gut überstanden. Dennoch diskutiert nun das Land darüber, ob die Regierungspartei FPÖ ein Problem mit dem Rechtsstaat und der Gewaltenteilung hat.

Thematischer Rahmen für die steilen Thesen der FPÖ-Politiker ist die in Österreich immer noch in Permanenz geführte Flüchtlingsdebatte. Die Rechtspartei will straffällig gewordene Asylbewerber und Asylanten schneller abschieben können und fühlt sich dabei laut Kickl von "vielen seltsamen rechtlichen Konstruktionen" und durch "Dinge aus den Fünfzigerjahren" eingeschränkt. Gemünzt war das offenkundig, aber nicht explizit auf die 1950 verabschiedete Europäische Menschenrechtskonvention, die in Österreich im Verfassungsrang steht. Kickl wurde daraufhin von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zum Gespräch zitiert. Danach erklärte er via Facebook, er habe die Menschrechtskonvention "zu keinem Zeitpunkt infrage gestellt".

Kanzler Kurz sieht sich genötigt, seinen Innenminister zur Ordnung zu rufen

Das ist nur begrenzt glaubwürdig, zumal Kickl schon 2015 als FPÖ-Generalsekretär gefordert hatte, die Europäische durch eine Österreichische Menschenrechtskonvention zu ersetzen, die dann wohl mehr nach seinem Gusto ausfallen soll. Der ÖVP-Justizminister hatte ihn daraufhin zum "Totengräber des Abendlandes" erklärt. Damals allerdings war die FPÖ noch in der Opposition, und die ÖVP regierte mit den Sozialdemokraten.

Die Zeiten haben sich geändert, aber die alten Themen kommen wieder hoch - das darf als Indiz dafür verstanden werden, dass sich die FPÖ in ihrem zweiten Regierungsjahr genötigt sieht, das rechte Profil wieder zu schärfen. Die Regierungsverantwortung hat ihr wohl so viel Kompromisse abverlangt, dass sie nun mit ein paar gezielten Provokationen und Tabubrüchen wieder ein bisschen Opposition spielt, um die krawallgewohnte Anhängerschaft bei der Stange zu halten.

Das allerdings ist ein riskantes Spiel, denn es bedroht die von Kanzler Sebastian Kurz zum höchsten Gut der Koalition erhobene Harmonie. Die weiterhin prächtigen Umfragewerte der ÖVP-FPÖ-Regierung erklären sich auch damit, dass die Bevölkerung anders als bei den ständig streitenden Vorgängermodellen den Eindruck hat, hier zögen endlich einmal zwei an einem Strang. Wenn das am Ende wieder zum Tauziehen ausartet, droht ein Popularitätsverlust.

Im aktuellen Fall hatte auch der sonst so langmütige Kanzler seinen Innenminister persönlich zur Ordnung rufen müssen. In der Parlamentsdebatte versuchte Kurz es dann mit Schadensbegrenzung, vermied jede Kritik an Kickl und formulierte nur allgemein, dass ein "funktionierender Rechtsstaat" und eine "ordentliche Gewaltenteilung" wichtig seien. Danach hätte die Regierung eigentlich wieder zur Tagesordnung übergehen können - wenn nicht die Abgeordnete Belakowitsch nachgelegt hätte. Ein Zufall ist das kaum, die Fortsetzung wird folgen.

© SZ vom 02.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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