Österreich-Kolumne:Corona-Krise in Wien

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Erinnerung an eine verheerende Pandemie: die zentral gelegene Wiener Pestsäule von 1693. (Foto: Oliver Das Gupta/privat)

In Zeiten der Corona-Krise reagiert der schlagzeilenbewusste österreichische Politikbetrieb schnell und sinnvoll - ein positives Zack-zack-zack. Beobachtungen aus Wien mit Würstelstandbesuch.

Von Oliver Das Gupta

Bevor wir zu meinem Mittagsplausch am Donnerstag beim Würstelstand am Hohen Markt kommen, möchte ich noch einige Beobachtungen aus Wien und vom Weg dorthin loswerden. Im Zug von Salzburg nach Osten: gähnende Leere. Ab Linz saßen vier weitere Leute in meinem Waggon, was einem Mann offensichtlich nicht sicher genug war. Er hatte sich eine Maske über Nase und Mund gezogen. Österreich in Zeiten der Corona-Epidemie.

In Wien sah es dann etwas anders aus. Einerseits treibt das warme Wetter - Vorfrühling Hilfsausdruck - die Menschen aus den Häusern: Junge Männer führen kurzbehost ihre Wadln spazieren, die Bänke auf der Mariahilfer Straße sind besetzt mit Einkäuferinnen und deren Einkaufstüten, balzenden Teenagern und älteren Herren, die mit Dosenbier anstoßen. War da was?

Andererseits zeigt sich die Wirkmächtigkeit der Corona-Krise bei genaueren Hinsehen deutlich. In der U-Bahn halten die Menschen Abstände ein, über Finger werden Ärmel und Taschentücher gestülpt, um Türklinken und Knöpfe zu betätigen, die Preise für Hotelzimmer purzeln. In den Kaffeehäusern dünnt sich schon seit Tagen die Kundschaft aus. In einem der bekanntesten habe ich den Ober mit Blick auf die Sitzplätze im Lokal gefragt, ob damit nicht gegen die Corona-Obergrenzen verstoßen wird: "So viele kommen eh nicht mehr", sagte er: "Die letzten Tage sperren wir abends sogar schon eine Stunde früher zu."

Passiert ist in Österreich schon allerhand (und früher und schneller als in Deutschland): Die Grenze zum von der Pandemie besonders betroffenen Italien wurde längst dichtgemacht, der Betrieb an Schulen, Kindergärten und Universitäten eingestellt, Veranstaltungen in geschlossenen Räumen wurden auf 100 Personen begrenzt. In Salzburg, Tirol und Vorarlberg endet die Skisaison vorzeitig am Sonntag, in Tirol werden zudem am Montag alle Beherbergungsbetriebe geschlossen. Auch die Kommunalwahlen in Vorarlberg und in der Steiermark am Sonntag werden verschoben (anders als in Bayern).

Am Freitagnachmittag wurden weitere Maßnahmen verkündet: Von Montag an bleiben die Geschäfte in Österreich geschlossen. Das gelte aber nicht für den Lebensmittelhandel, Apotheken, Drogerien, Post, Banken und andere Geschäfte, die für die Grundversorgung zuständig sind, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz. Restaurants, Bars und Kaffeehäuser dürfen nur noch bis 15.00 Uhr offen halten. Zudem werden das Paznauntal mit den Tourismusorten Ischgl und Galtür sowie St. Anton am Arlberg in Tirol unter Quarantäne gestellt.

Der Föderalismus bremst in Österreich das zügige Krisenmanagement weitaus weniger als in der Bundesrepublik. Ja, in diesen Tagen muss man als Deutscher etwas neidisch auf den Politikbetrieb in Österreich schauen. Der wirkt oft eher schläfrig bis tapsig und immer schlagzeilenbewusst. Aber in der Corona-Krise wird offensichtlich schnell und sinnvoll regiert - ein positives Zack-zack-zack.

Man verspeist Würstel - und teilt sich ein Flascherl Desinfektionsmittel

Bevor ich wieder in den Zug gen bayerische Heimat gestiegen bin, habe ich noch einmal Wien genossen. Die Sonne ließ das bunte Dach des Stephansdoms erstrahlen, ein lange vermisstes Himmelsblau spannte sich über Wien. Herrliches Wetter, die Diskrepanz zur Stimmung ist eindrucksvoll.

Zum Abschluss habe ich einen Vertreter des türkis-grünen Regierungsteams getroffen. Im Stehen, bei zwei Portionen Käskrainer mit Kren und Senf und einem geteilten Flascherl Desinfektionsmittel, sprachen wir über Corona, die Eindämmungsmaßnahmen und darüber, wie die Welt wohl in einem Jahr aussehen mag. Auch mein geplanter Skiurlaub in Tirol war da noch kurz Thema ("Das wird nix").

Nüchtern schilderte der Mann, wie intensiv vor und hinter den Kulissen in Österreich agiert wird. "Es gibt unheimlich viel mitzudenken, einzubinden und zu kommunizieren." Einmal musste er lächeln, als ich fragte, ob ich am Abend noch über die Grenze nach Deutschland käme.

Die Würstel waren schnell gegessen, wir gingen noch einige Meter durch die Innenstadt zum Graben. Vor der Pestsäule, einem Gedenkort einer anderen verheerenden Pandemie, trennten sich unsere Wege. Es war ein Servus mit Ellbogen-Bumb.

Dieser Text ist zuerst am 13. März 2020 im Österreich-Newsletter erschienen.

© SZ vom 14.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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