Österreich:Chefin auf Abruf

Die SPÖ betrügt sich mit ihrem Mitgliedervotum selbst.

Von Peter Münch

Von großen Zahlen und großen Erfolgen haben sich Österreichs traditionsreiche Sozialdemokraten schon lange verabschiedet. Wer in Umfragen auf 16 Prozent abgestürzt ist, kann nicht mehr nach den Sternen greifen. Folglich verkauft die SPÖ nun ein Mitgliedervotum als Erfolg, an dem weit weniger als die Hälfe der Genossen teilgenommen hat - und von denen haben weniger als drei Viertel ihrer Parteichefin Pamela Rendi-Wagner das Vertrauen ausgesprochen. So etwas gilt in der SPÖ heute schon als schönes Zeichen der Geschlossenheit.

Schlimmer noch als dieser sozialdemokratische Selbstbetrug ist jedoch, dass Rendi-Wagner das Ergebnis der Mitgliederbefragung nun mit falschen Freunden feiern muss. Denn fast die komplette Riege der mächtigen Männer hinter ihr macht kein Hehl daraus, dass sie die Chefin für eine Fehlbesetzung hält. Es will nur niemand ihren Job machen - schon gar nicht vor der für die SPÖ richtungweisenden Landtagswahl in Wien im Herbst.

Bis dahin und nicht länger dürfte Pamela Rendi-Wagner nun Ruhe haben. Sie bleibt auch nach diesem Mitgliedervotum eine Parteichefin auf Abruf. Freude daran haben vor allem die politischen Mitbewerber. Denn mit einer starken Opposition gegen Kanzler Sebastian Kurz und seine Koalition ist in Österreich weiterhin nicht zu rechnen.

© SZ vom 07.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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