Österreich:Achtzig am Tag

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In Österreich gelten nun Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen - sie sind weit restriktiver als die deutschen Übergabekontingente.

Von Andreas Glas und Cathrin Kahlweit, Wien/Passau

Seit Freitagmorgen, acht Uhr, gilt an der österreichischen Grenze zu Slowenien eine neue Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen. 80 Asylanträge werden in Österreich nun täglich angenommen, im Durchschnitt also fünf pro Stunde, maximal 3200 Menschen, die in andere Staaten weiterreisen dürfen, werden durchgelassen. Sind beide Tageskontingente erreicht, muss jeder, der danach kommt, bis zum nächsten Tag hinter der Grenze warten. Neben diesen Tages-Obergrenzen will Österreich auch jährliche Limits einführen - 37 500 Flüchtlinge sollen 2016 insgesamt nach Österreich einreisen dürfen.

Ob sich dieser Beschluss umsetzen lässt, wird gerade von Verfassungsjuristen geprüft. Parallel dazu werden in den kommenden Wochen an insgesamt 13 Grenzübergängen zu Ungarn, Slowenien und Italien Grenzsperren gebaut und verschärfte Kontrollen eingeführt.

Geeinigt hat sich die Wiener Koalition aus SPÖ und ÖVP bereits in den vergangenen Wochen - trotz massiver Proteste von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen - auf eine Reihe weiterer Maßnahmen, die Flüchtlinge in Österreich in Zukunft erwarten. So soll es ein Asyl auf Zeit geben. Danach wird drei Jahre nach der Einreise überprüft, ob ein subsidiär Schutzberechtigter oder ein Asylberechtigter seinen Anspruch auf Aufenthalt verloren hat, weil sich die Lage in seiner Heimat bessert - oder aber weil der Flüchtling Integrationsvorgaben wie Werte- und Sprachkurse nicht eingehalten hat. Wurden diese Vorgaben erfüllt und der Asylberechtigte integriert sich gut, kann die Behörde entscheiden, den positiven Bescheid nicht aufzuheben, sie muss es aber nicht.

Verschärft wurde auch der Familiennachzug für diese beiden Gruppen. Subsidiär Schutzberechtigte dürfen drei Jahre lang ihre Familie nicht nachholen. Bei Asylberechtigten gilt das dann, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Anerkennung den Antrag auf Familienzusammenführung gestellt haben. Derzeit verhandeln die Koalitionspartner darüber, ob Flüchtlinge, die in Österreich bleiben dürfen, grundsätzlich weniger Sozialhilfe bekommen sollen als Österreicher. Darüber ist aber noch nicht abschließend entschieden.

In Österreich leben immer noch etwa 7000 Flüchtlinge in Notunterkünften. Etwa ein Drittel aller Gemeinden haben bis heute, trotz der Einführung des sogenannten Durchgriffsrechts des Staates, keinen einzigen Flüchtling aufgenommen. Die dezentralen Erstaufnahmestellen, die das Hauptlager in Traiskirchen entlasten sollten, sind völlig überlastet. Problematisch ist auch die Lage der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, deren Versorgung und Betreuung katastrophal ist.

Ein Polizist sammelt Flüchtlinge auf der Innbrücke an der deutsch-österreichischen Grenze bei Simbach am Inn. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die EU-Kommission kritisiert insbesondere die verschärfte Grenzpolitik der Österreicher. "Für uns ist die Verwunderung über unseren Schritt nicht nachvollziehbar", sagt die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), sie ist der Meinung: "Deutschland praktiziert dies schon seit Monaten." Aber stimmt das? Richtig ist, dass aus Österreich pro Stunde maximal 50 Flüchtlinge einreisen dürfen. Diese Zahl gilt für jeden einzelnen der fünf Grenzübergänge, die Deutschland als sogenannte Übergabepunkte für Flüchtlinge, die aus Österreich kommen, festgelegt hat: Wegscheid, Neuhaus am Inn und Simbach am Inn in Niederbayern sowie Freilassing und Kiefersfelden in Oberbayern. Insgesamt 250 Flüchtlinge pro Stunde und 6000 pro Tag dürfen also aus Österreich nach Bayern einreisen - und damit fast doppelt so viele wie Österreich nun seinerseits aus Ungarn, Slowenien und Italien ins Land lassen möchte.

Eingeführt hat Deutschland diese sogenannten Übergabekontingente im Spätherbst. Der Hintergrund: Damals schickte Österreich täglich so viele Flüchtlinge über die Grenze, dass es in Bayern kurzfristig nicht genug Unterkünfte gab und die Menschen an den Grenzübergängen stundenlang in der Kälte ausharren mussten. Die Übergabekontingente von 50 Flüchtlingen pro Stunde "stellen aber keine klassische Obergrenze dar", wie sie Österreich nun plane, betont Frank Koller, der Passauer Bundespolizeisprecher - und das ist der große Unterschied.

Denn während Österreich nur noch 80 Asylanträge pro Tag annehmen möchte, lässt die deutsche Bundespolizei grundsätzlich alle Flüchtlinge ins Land, die in Deutschland um Asyl bitten. Zurückgewiesen werden an der deutsch-österreichischen Grenze allenfalls diejenigen, die angeben, dass sie Deutschland nur als Zwischenetappe betrachten, zum Beispiel auf dem Weg nach Skandinavien. An der deutschen Grenzpraxis ändere sich durch die neuen Pläne Österreichs gar nichts, versichert der Bundespolizeisprecher.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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