Österreich:Abschiebestopp für Lehrlinge

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Grünen-Politiker Anschober steckt hinter der Initiative. (Foto: Michael Gruber/imago)

Die Grünen konnten die ÖVP zum Einlenken bewegen.

Von Peter Münch, Wien

In Österreich wird der bislang strikte Kurs in der Asylpolitik gelockert. Eine breite Allianz aus ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos hat im Parlament beschlossen, dass abgelehnte Asylbewerber künftig während ihrer Lehrzeit nicht mehr abgeschoben werden. Über diese Frage und zahlreiche aufrüttelnde Einzelfälle war in den vergangenen beiden Jahren heftig diskutiert worden. Während ihrer Koalitionsregierung mit der FPÖ hatte sich die Volkspartei von Sebastian Kurz noch heftig gegen eine solche Regelung gesträubt. Das Einlenken wird nun auch als Signal an die Grünen verstanden, mit denen seit der Wahl vom 29. September über die Bildung einer gemeinsamen Regierung verhandelt wird.

Der Abschiebestopp für Lehrlinge geht auf eine Initiative des Grünen-Politikers Rudi Anschober zurück, der nun auch im Koalitionsverhandlungsteam der Grünen sitzt. Unter dem Slogan "Ausbildung statt Abschiebung" hatte er von 2017 an ein breites und buntes Bündnis geschmiedet, das die frühere rechte Regierung zunehmend unter Druck gesetzt hatte. Denn auch viele Vertreter aus der Wirtschaft schlossen sich der Forderung an - mit dem Hinweis, dass eine Abschiebung kontraproduktiv sei, weil dringend Lehrlinge und Fachkräfte in Mangelberufen gesucht würden. Unter den mehr als 2000 Unternehmen, die sich für einen Abschiebestopp stark machten, sind auch große Firmen wie Spar, Rewe oder der Baukonzern Porr. Unterstützung kam auch von prominenten Schauspielern wie den Wiener Tatort-Kommissaren Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer oder auch von der Skilegende Hermann Maier. Überdies gewann Anschober zahlreiche ÖVP-Politiker in den Ländern und Gemeinden als Mitkämpfer.

Die Zahl der nun von der Neureglung im Fremdenpolizeigesetz betroffenen Asylbewerber ist übersichtlich: Es sind weniger als 800 Menschen, die jetzt zumindest ohne Angst vor Abschiebung ihre Ausbildung in Österreich beenden können. Zuvor hatten dramatische Fälle immer wieder für großes Aufsehen gesorgt - zuletzt noch zu Beginn dieser Woche: Ein 22-jähriger Flüchtling aus Afghanistan, der in einem Franziskanerinnen-Kloster im niederösterreichischen Langenlois eine Unterkunft und einen Ausbildungsplatz an einer Fachschule für Sozialberufe gefunden hatte, war dort von sieben Polizisten abgeholt und in Abschiebehaft genommen worden. Nach Protesten von Flüchtlingshelfern, Ordensschwestern und dem ÖVP-Bürgermeister kam er schließlich in der Nacht zum Dienstag kurz vor dem geplanten Abschiebeflug nach Kabul auf Intervention von Bundespräsident und Innenminister wieder frei.

Mit dem im Nationalrat beschlossenen Abschiebestopp für Lehrlinge sei "das erste Ziel erreicht", erklärte Anschober. Nun gehe es um eine vergleichbare Regelung für Schüler und Studierende. Zudem setzt sich die Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" für ein "3 plus 2"-Modell nach deutschem Vorbild ein. Der Abschiebestopp soll demnach auch noch für die ersten beiden Berufsjahre nach Abschluss der Lehre gelten. Dagegen gibt es jedoch bereits Widerspruch aus der ÖVP. Dort will man offenbar die jetzige Neuregelung nicht als komplette Kehrtwende, sondern als "pragmatische Lösung" verstanden wissen. Asyl und Zuwanderung müssten weiter "konsequent" getrennt werden, sagte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer. "Asyl durch die Lehre gibt es nicht, und das bleibt auch so."

© SZ vom 12.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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